Neuer Ministerpräsident des Saarlandes Hans im Glück

Saarbrücken · Ein schneller Aufstieg: Der Landtag wählt den mit 40 Jahren jüngsten Ministerpräsidenten in der Geschichte des Saarlandes.

Ist das Rührung? Annegret Kramp-Karrenbauer nimmt von ihrem Nachfolger als Saar-Regierungschef Tobias Hans (beide CDU), Blumen entgegen.

Ist das Rührung? Annegret Kramp-Karrenbauer nimmt von ihrem Nachfolger als Saar-Regierungschef Tobias Hans (beide CDU), Blumen entgegen.

Foto: dpa/Oliver Dietze

Zehn TV-Kameras richten sich im Landtag auf den Neunkircher Tobias Hans (CDU), der dort die Eidesformel spricht.„So wahr mir Gott helfe!“, sagt der 40-jährige Katholik zum Schluss, die Hand auf der Verfassung ruhend und Auge in Auge mit Stephan Toscani (CDU), 51, der ebenso wie Hans ein „Frisch-Gebackener“ ist. Der Saar-Landtag hat gestern ein rares Schauspiel erlebt: Es gibt mit Hans einen Ministerpräsidenten zu wählen und mit Toscani einen Landtagspräsidenten. Und die Ex-Landesmutter Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), 55, erlebt ihren Abschied aus dem Saarland – mit dem Ziel, in Berlin der eigenen Partei als Generalsekretärin künftig die Eisen aus dem Feuer zu holen.

Auch wenn „AKK“ eine bekennende Trägerin schlank geschnittener Pumps ist: Es sind große Fußstapfen, die sie für den hoch aufgeschossenen Hans hinterlässt. „Er wird das schaffen und ein guter Ministerpräsident werden“, sagt Hermann-Josef Scharf, CDU-Landtagsabgeordneter aus St. Wendel, nach dem Wahlakt im Landtagsrestaurant, wohin Toscani die Abgeordneten und Zuschauer eingeladen hat. Einige der Politiker und Presseleute sprechen scherzhaft von „Hans im Glück“. Und es ist wahrlich märchenhaft, wie jäh Hans vom CDU-Fraktionschef, den kaum jemand im Lande seit seinem Amtsantritt 2015 kannte, zum jüngsten Regierungschef des Saarlandes geworden ist. Dabei wird er nicht nur in seinem Regierungshandeln beweisen müssen, dass er es so gut kann wie seine Vorgängerin. Denn AKK ist ja auch in der närrischen Jahreszeit stets vorneweg marschiert. Als Landtags-Putzfrau „Gretel“, in Kittelschürze, mit Kopftuch und Besen stieg sie in die Bütt, wobei sie ein gerüttelt Maß an Selbstironie bewies. Ob Hans den „Hänsel“ geben wird, darauf können die zigtausenden Karnevalisten im Saarland nur hoffen.

Gute Laune versprüht der Münchwieser Pferdefreund, dessen Frau Tanja im kleinen Schwarzen in der ersten Besucherreihe sitzt, ab 9.47 Uhr allemal. Da verkündet Landtagspräsident Toscani das Ergebnis der geheimen Ministerpräsidenten-Wahl. Von den 51 abgegebenen Stimmen erfallen 40 auf Hans, mit Nein stimmen elf Abgeordnete. Also ein wesentlich rumpelfreierer Start als bei Kramp-Karrenbauer 2011, als es nach dem ersten Wahlgang lange Gesichter bei der Jamaika-Koalition gab, weil zwei Abgeordnete aus den eigenen Reihen offenbar AKK einen gehörigen Denkzettel verpassen wollten. Gegen Hans votiert dagegen offenbar nur ein Parlamentarier aus der CDU/SPD-Koalition, die zusammen  41 Mandate im Landtag hat. „Es gibt bei solchen Entscheidungen immer Enttäuschungen bei einzelnen Personen im Regierungslager. Deshalb vermute ich, dass eine Enttäuschte oder ein Enttäuschter aus der großen Koalition diese Gegenstimme abgegeben hat“, sagt Linksfraktionschef Oskar Lafontaine in der Lobby augenzwinkernd. Auch Scharf und Sebastian Thul (SPD) meinen, dass diese Stimme aus dem eigenen Lager kommen könnte. „Da hat sich jemand von Hans auf die Füße getreten gefühlt“, heißt es unisono.

Derjenige, der zur Zeit am meisten Groll gegen seine Union hegen könnte, weil sie ihm das Vertrauen entzogen hat, winkt ab. „Hundertprozentig war ich das nicht“, betont Klaus Meiser mit einem gewinnenden Lächeln. Schließlich sei Hans so etwas wie sein „Ziehsohn“. Der wegen staatsanwaltlicher Ermittlungen im Zuge des Finanzskandals um den Landessportverband vor gut zwei Wochen als Landtagspräsident zurückgetretene Meiser sagt, dass er sich auf seine neuen Aufgaben im Landtag freue. In welche Ausschüsse er entsandt werde, werde sich am Montag in der CDU-Fraktionssitzung klären. Gestern hat er brav in der letzten CDU-Reihe Platz genommen – und gute Miene gemacht. Einige politische Beobachter hatten zuvor gemutmaßt, dass Meiser sich diese Landtagssitzung „nicht antun“ werde. Doch Meiser bleibt präsent.

Wenig Feierlaune an diesem „historischen Tag“ (Toscani) zeigt dagegen Saar-Innenminister Klaus Bouillon (CDU), der sich schnell nach der Taufe der neuen Regierung Hans mit Verweis auf Termine aus dem hohen Hause verabschiedet. Auch Bouillon ist noch in die Landessportverbands-Affäre verwickelt, prüfen die Ermittler doch die Zusammenhänge der recht niedrig erscheinenden Rechnungen, die Bouillon für seine Party zum 70. im vergangenen November in der Mensa der Landessportschule blechen musste.

Aber der strahlende neue Ministerpräsident Hans sieht offenbar darin keinen Anlass, die Regierung umzubilden. Er übernimmt das AKK-Kabinett, bis auf den neuen Finanzminister Peter Strobel (CDU).

 Stephan Toscani (CDU) bekommt von Innenminister Klaus Bouillon (CDU) stärkende Rückenklapse nach seiner Wahl.

Stephan Toscani (CDU) bekommt von Innenminister Klaus Bouillon (CDU) stärkende Rückenklapse nach seiner Wahl.

Foto: BeckerBredel
Landtagspräsident Stephan Toscani (CDU, l.) nimmt dem neuen Ministerpräsidenten Hans den Amtseid auf die Verfassung ab.

Landtagspräsident Stephan Toscani (CDU, l.) nimmt dem neuen Ministerpräsidenten Hans den Amtseid auf die Verfassung ab.

Foto: BeckerBredel
Annegret Kramp-Karrenbauer gratuliert dem neu gewählten Landtagspräsidenten Stephan Toscani (beide CDU).

Annegret Kramp-Karrenbauer gratuliert dem neu gewählten Landtagspräsidenten Stephan Toscani (beide CDU).

Foto: dpa/Oliver Dietze

Während die Rolle von Hans gestern im Landtag darauf beschränkt bleibt, Gratulationen entgegenzunehmen, rammt der neue Landtagspräsident erste Pflöcke ein. „Es geht darum, verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen“, sagt Toscani mit Blick auf die öffentliche Debatte der vergangenen Monate um die Nebenbeschäftigungen der Abgeordneten und auch die Art und Höhe der Einkünfte von deren Neben-Jobs. Vor allem sein Vorgänger Meiser war mit 14 außerparlamentarischen Mandaten, darunter ein besonders einträgliches beim Bergbaukonzern RAG, in die Kritik geraten. Zwar habe sich der Saar-Landtag an den Verhaltensmaßregeln für die Bundestagsabgeordneten orientiert. „Aber nichts ist so gut, dass es nicht besser werden kann“, sagt Toscani. Ein deutlicher Fingerzeig darauf, dass die politische Hygiene im Saarland keimfreier werden soll.

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