Handschlag mit der personifizierten Krise
Noch bevor der griechische Ministerpräsident Giorgos Papandreou gestern Abend mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) über die große Griechen-Krise beraten wollte, hatte der Gast hoffnungsvolle Signale Richtung Kanzleramt gesendet
Noch bevor der griechische Ministerpräsident Giorgos Papandreou gestern Abend mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) über die große Griechen-Krise beraten wollte, hatte der Gast hoffnungsvolle Signale Richtung Kanzleramt gesendet. Griechenland unternehme "übermenschliche Anstrengungen", um seine Schulden zu verringern, sagte Papandreou bei einer Konferenz des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI). Es könne zwar Jahre dauern, bis sein Land die Krise überwunden habe, erklärte der Mann, der vielen als personifizierte Krise erscheint. Er könne aber "garantieren, dass Griechenland alle seine Verpflichtungen erfüllen wird". Man sei auf einem "schmerzhaften Weg" und habe "brutal offen" eigene Schwächen offengelegt. Dann zitierte er sogar US-Präsident Obama: "Yes, we can" - "Ja, wir schaffen es".Merkel ihrerseits sagte Griechenland weitere Hilfe zu. "Was immer Deutschland an Hilfestellung leisten kann, das werden wir leisten", betonte sie beim BDI und zollte Papandreou "absoluten Respekt" für seine Reformen.
Der Besuch Papandreous in der Hauptstadt fällt in eine Zeit, in der die schwarz-gelbe Koalition um eine klare eigene Mehrheit im Bundestag für die Stärkung des Euro-Rettungsfonds EFSF bangen muss. Zwar hat der EFSF nicht direkt etwas mit der Griechenland-Hilfe zu tun. Aber Griechenland war im Frühjahr 2010 Auslöser für das Ringen in der EU um Milliarden-Rettungspakete.
Der gestrige Stimmungstest in der Unionsfraktion zum EFSF kann jedenfalls noch nicht als großer Wurf gewertet werden. Dennoch lässt das Ergebnis die Koalitionsspitzen hoffen, dass es bei der Abstimmung am Donnerstag sogar für die Kanzlermehrheit von 311 schwarz-gelben Stimmen der insgesamt 620 Sitze reicht. Merkel mahnte in der Sitzung, die Abstimmung sei von weltweitem Interesse. Bei CDU und CSU gibt es nach der Zählung von gestern inzwischen fünf Mitglieder weniger als Anfang September, die sich der Stimme enthalten wollen. Die Zahl der Nein-Sager ist geblieben, auch wenn im Vergleich zur Abstimmung über die Einbringung des Gesetzentwurfes vor drei Wochen diesmal elf und nicht mehr zwölf Abgeordnete das Rettungspaket ablehnten. Aber einer der schärfsten Kritiker, Wolfgang Bosbach, war nicht da.
Die FDP stimmte nicht nochmals ab. Parteichef Philipp Rösler hatte seine Fraktion als Stabilitätsanker bezeichnet, was in der Union angesichts von Zerwürfnissen über Steuerentlastungen oder die Schuldenkrise auch mit Heiterkeit aufgenommen wurde.
Führende Koalitionäre versäumten es in diesen aufgeheizten Tagen nicht, immer wieder zu betonen, die Kanzlermehrheit sei nicht nötig. Schließlich werde nicht die Kanzlerin gewählt, sondern lediglich ein Gesetz verabschiedet. Dafür brauche es eben nur eine Mehrheit. Schwarz-Gelb würde eine eigene Mehrheit mit 291 Stimmen erreichen.
Nun muss die Regierung gar nicht um die Mehrheit bangen, weil SPD und Grüne, die zwar die Regierung, aber nicht den erweiterten Rettungsschirm unmöglich finden, zustimmen wollen. Merkel würde aber ein großer Vertrauensverlust bescheinigt werden, könnte sie ihre Reihen in einer so elementaren Entscheidung nicht schließen. Sie hat es zwar nicht so deutlich gesagt, aber mit Mahnungen erkennen lassen, dass sie 311 schwarz-gelbe Ja-Stimmen anstrebt.
Merkel ist keine experimentierfreudige Politikerin. Eine Neuwahl kommt für sie wohl auch bei einer noch so schlechten Verfassung ihrer Koalition nicht infrage. Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) ist für sie eine Warnung, dass eine vorgezogene Wahl den Verlust des Kanzleramts bedeutet kann. Merkel will Kontinuität garantieren und auch damit die internationalen Finanzmärkte beruhigen.
Aus CDU-Kreisen verlautete, die Unionsspitze, speziell Fraktionsgeschäftsführer Peter Altmaier (CDU), habe den Abweichlern zum Teil in Einzelsitzungen ins Gewissen geredet. Dabei erscheint der Erfolg - fünf Enthaltungen weniger als im September - noch etwas spärlich. Merkel versuchte es mit ihrem TV-Talk bei Günther Jauch. Wenn die Kanzlerin für eine ganze Stunde ins Fernsehen gehe, sei die Lage besonders schlimm, meint ein CDU-Politiker.
Hintergrund
Die Bundesregierung hat alle Spekulationen über eine erneute Vergrößerung des EFSF-Rettungsschirms zurückgewiesen. Der Schirm stehe morgen so zur Abstimmung, wie er im Juli vom EU-Gipfel verabschiedet worden sei, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Innerhalb der Bundesregierung bestehe "vollkommene Einigkeit", dass der Rettungsschirm nicht nochmals ausgeweitet werden solle.
Der Rettungsschirm EFSF soll mit neuen Hilfsinstrumenten ausgestattet werden. Dazu gehört der Aufkauf von Anleihen kriselnder Euro-Länder. Außerdem soll der Garantierahmen des EFSF auf 780 Milliarden Euro angehoben werden, damit er über die Bürgschaften der Länder auch wirklich für 440 Milliarden Notkredite vergeben kann. Vorher war der Garantierahmen auf 440 Milliarden Euro begrenzt. dpa