Hamburger SPD wittert Morgenluft

Berlin. Claudia Roth gibt sich unbeirrt. "Das war kein Irrtum", sagt die Grünen-Chefin am Tag eins nach dem Ende der ersten schwarz-grünen Landeskoalition in Hamburg. Aber vor den nunmehr sieben Landtagswahlen im Superwahljahr 2011 schiebt sie gleich hinterher: "Ich geb' zu, dass es mit der CDU in ihrer jetzigen Lage kaum vorstellbar ist

Berlin. Claudia Roth gibt sich unbeirrt. "Das war kein Irrtum", sagt die Grünen-Chefin am Tag eins nach dem Ende der ersten schwarz-grünen Landeskoalition in Hamburg. Aber vor den nunmehr sieben Landtagswahlen im Superwahljahr 2011 schiebt sie gleich hinterher: "Ich geb' zu, dass es mit der CDU in ihrer jetzigen Lage kaum vorstellbar ist." So meilenweit voneinander entfernt waren sich Schwarz und Grün seit Jahren nicht mehr - der schwächelnden SPD haben die Grünen mit dem Ende der Liaison an der Elbe ein vorzeitiges Weihnachtsgeschenk gemacht.Der designierte SPD-Spitzenkandidat Olaf Scholz kann sich Hoffnung machen, mit grüner Hilfe nach der Wahl im Februar den Posten von Hamburgs CDU-Bürgermeister Christoph Ahlhaus zu kapern. Rückenwind erhofft man sich bei den Sozialdemokraten auch für den Urnengang in Baden-Württemberg im März, wo sich Grünen-Kandidat Winfried Kretschmann zum Sturm auf den schwarzen Regierungssitz warmläuft. Der dortige SPD-Spitzenmann Nils Schmid will "Hamburgs Ersten Bürgermeister Olaf Scholz im März zum Wahlkampf nach Baden-Württemberg einladen", wie er frohlockt. Die in beiden Ländern bedrängte CDU teilt aus: Verantwortungslos sei die aus der Koalition geflüchtete Ökopartei. "Die Grünen sind kein Koalitionspartner für uns", stellt Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) fest. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe wirft den Grünen vor, nach links abzudriften.

Für Kanzlerin Angela Merkel sind Schwarz-Grün-Hoffnungen ja mittlerweile ohnehin Hirngespinste. Und FDP-Chef Guido Westerwelle giftet: "Schwarz-Grün passt zusammen wie Lakritze und Spinat." In der Union haben jetzt jene Kräfte weiteren Auftrieb, für die die Grünen schon immer chaotisch, extrem oder zu linkslastig waren.

Während Ahlhaus die drei Senatoren des Ex-Partners entlässt, nehmen die Grünen den Kampf um die Deutungshoheit des Crashs in Hamburg bei den Wählern auf. "Es gibt 'ne personelle Erosion, es gibt ein Chaos in der Staatskanzlei", doziert Roth. "Wenn jemand nicht verantwortlich in der Lage ist, Politik zu betreiben, wenn jemand nicht regierungsfähig ist, dann ist es die CDU, so wie sie mit Herrn Ahlhaus aufgestellt ist."

Aber intern ist die Deutung des Hamburger Zerwürfnisses bei den Grünen durchaus unterschiedlich. Im Parteirat machen Vertreter des linken Flügels aus ihrer Freude kaum einen Hehl. Die Realos haben dagegen Sorgen um die prinzipielle Offenheit gegenüber allen möglichen Koalitionspartnern. Im eisigen Wind vor der grünen Parteizentrale betont Fraktionschef Jürgen Trittin die verschärfte Konfrontation mit einer Union auf Atomkurs. Die Co-Vorsitzende Renate Künast sagt aber auch: "Wir müssen jetzt aber auf Landesebene nicht die Türen (zur CDU) zuschlagen, obwohl die Wahrscheinlichkeiten sinken." In Berlin könnte Künast noch auf die CDU angewiesen sein, wenn sie im Herbst SPD-Regierungschef Klaus Wowereit aus dem Amt jagen will.

Durch die Wahl in Hamburg werden die Karten im Superwahljahr neu gemischt - offen ist, ob die Grünen auf ihrem Höhenflug für die Scheidung von der CDU an der Elbe eher belohnt oder bestraft werden. Weder das Aus fürs Kohlekraftwerk Moorburg noch die Schulreform haben die Grünen erreicht. "Die Politikerin, der Politiker muss erstmal geboren werden, der glaubt, wenn er vorzeitig aussteigt, würde daraus ein Umfragehoch werden", merkt Künast an.

Vielleicht ändert der Schritt im Stadtstaat längerfristig aber auch gar nicht so viel, wie es jetzt scheint. "Auch die erste rot- grüne Koalition auf Landesebene ist vorzeitig gescheitert", sagt der Grünen-Realo Omid Nouripour. Das war 1987 in Hessen - elf Jahre später galt diese Farbkombination im Bund nach Amtsübernahme von SPD-Kanzler Gerhard Schröder als Projekt.

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