Haider, Hussein und die MillionenBestechung ist in Europa an der Tagesordnung

Wien. Tote soll man bekanntlich ruhen lassen. Wenn der Verschiedene aber Jörg Haider heißt und plötzlich immer mehr Details über ein mögliches Riesenvermögen, Geheimkonten in Liechtenstein und Geldzuwendungen arabischer Diktatoren ans Tageslicht kommen, wird dieser Vorsatz schnell über Bord geworfen

 Der verstorbene Kärntner Landeshauptmann Haider - hier auf einer Harley Davidson - pflegte einen extravagenten Lebensstil. Foto: dpa

Der verstorbene Kärntner Landeshauptmann Haider - hier auf einer Harley Davidson - pflegte einen extravagenten Lebensstil. Foto: dpa

Wien. Tote soll man bekanntlich ruhen lassen. Wenn der Verschiedene aber Jörg Haider heißt und plötzlich immer mehr Details über ein mögliches Riesenvermögen, Geheimkonten in Liechtenstein und Geldzuwendungen arabischer Diktatoren ans Tageslicht kommen, wird dieser Vorsatz schnell über Bord geworfen. Kein Wunder: Sollten sich die Enthüllungen, die das österreichische Magazin "Profil" wöchentlich veröffentlicht, als wahr erweisen, wäre dies auch zwei Jahre nach dem tödlichen Unfall des Rechtspopulisten ein Riesenskandal.

Dass Haider eng mit der Familie des libyschen Revolutionsführers Muammar al-Gaddafi und speziell dessen ältestem Sohn Saif - der in Wien studierte - befreundet war, ist nicht neu. Auch dass der charismatische Kärntner Landeshauptmann mehrmals in den Irak gereist ist und ganz unverblümt die irakische Politik verteidigte, war bekannt. Er selbst schrieb ein Buch über seine Visiten beim Diktator: "Zu Gast bei Saddam". Was erst jetzt in aller Deutlichkeit ans Tageslicht kommt, brachte kürzlich ein Informant der Zeitung "Kurier" so auf den Punkt: "Jeder Besuch hat Cash gebracht." Grund für die Geldgeschenke aus Bagdad: Haider sollte das Land im Westen salonfähig machen. Und das tat er.

Im irakischen Fernsehen trat er als humanitärer Helfer auf (tatsächlich brachte er zwei kranke Kinder zur Behandlung nach Klagenfurt), sprach dem irakischen Volk seine Sympathie aus und verurteilte die Angriffe der USA auf das Land. Im April 2002 trat er vor die Kameras des arabischen Senders Al-Dschasira und forderte vor 70 Millionen Zuschauern die arabischen Staaten auf, sich von den USA zu emanzipieren.

Konten für die Politik?

Wo die fünf Millionen Euro, die Haider dem jüngsten "Profil"-Bericht zufolge von Hussein erhalten haben soll, hingeflossen sind, ist aber völlig unklar. Denn noch etwas anderes ist sicher: Der Lebemann Haider, der gerne im eigenen Hubschrauber und in schnellen Autos unterwegs war, war nicht arm. Er hatte von einem Onkel einen der größten Grundbesitze Österreichs geerbt. Da ist es schon wahrscheinlicher, dass die Saddam-Millionen und die angeblich in Liechtenstein gefundenen Geheimkonten für Haiders Politik bestimmt waren. "Sie hatten sich mit System bereichert", schrieb die Zeitung "Der Standard" kürzlich zu möglichen Machenschaften von Haiders Partei FPÖ.

Bis zu 45 Millionen Euro soll Haider laut "Profil" Ende der 1990er Jahre über Scheinfirmen in Liechtenstein deponiert haben. Davon seien heute noch fünf Millionen Euro übrig.

Noch aber mangelt es an echten Beweisen für die Existenz der Haider-Konten und die großzügigen Gaben aus Saddams Schatulle. Als möglicher Beleg dafür dient bislang ein von den Behörden sichergestelltes Tagebuch des Haider-Vertrauten und Ex-FPÖ-Generalsekretärs Walter Meischberger. "Alles in allem ist es schon unblaublich, was so alles passiert", hat er in seinen akribischen Aufzeichnungen von Geheim-Treffen und abenteuerlichen Geldflüssen laut "Stadtzeitung" notiert.

Im Zuge der Ermittlungen im Fall der notverstaatlichten Krisenbank Hypo Group Alpe Adria und möglicher anderer Fälle von Untreue und Korruption häufen sich aber Vorwürfe gegen die einst Haider umgebende "Buberl-Partie" aus jungen Männern wie Meischberger, Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser und seinem damaligen persönlichen Referenten Gerald Mikscha. Mikscha soll nach einem Bericht der Zeitschrift "News" eine zentrale Rolle bei Haiders Liechtenstein-Geheimvermögen gespielt und 1996 dort ein erstes Konto eröffnet haben - mit Codewort "Jörg".

Selbst wenn sich alle abenteuerlich erscheinenen Geschichten als wahr herausstellen sollten - strafbar ist nach dem laschen österreichischen Parteiengesetz nichts. Anders als in Deutschland sind die Geldflüsse an Parteien und Politiker im Nachbarland kaum nachzuvollziehen. Nur Spenden über 7260 Euro müssen die Parteien einmal im Jahr dem Rechnungshof-Präsidenten übermitteln, der die Angaben nicht überprüfen kann und zum Stillschweigen verpflichtet ist. Diese Grenze kann aber umgangen werden, indem die Gönner ihre Zuwendungen stückeln, erklärt der Chef der Anti-Korruptionsorganisation Transparency (TI), Franz Fiedler. Bei Verstößen gegen die ohnhin wenig strengen Regeln gibt es keine Sanktionen.

Immerhin gerät Österreichs Justiz nun zunehmend unter Druck. Aus den Reihen der Kärntner Grünen kommt der Vorwurf, die Ermittler seien bereits 2007 aufgekommenen Verdachtsmomenten auf geheime Konten Haiders nicht nachgegangen. TI-Chef Fiedler wirft der Justiz ebenfalls vor, die Ermittlungen zu verschleppen. Die Grünen fordern jetzt einen Untersuchungsausschuss zu den Skandalen. Belgrad. In allen Balkanländern blüht die Korruption mehr denn je. Die Gesetze des Gebens und Nehmens unter der Hand werden praktisch in allen Bevölkerungsschichten akzeptiert. In den Negativ-Rankings der Experten von "Transparency International" wetteifern diese Länder stets um die schlechtesten Plätze in Europa. In Serbien haben im vergangenen Jahr danach ein Fünftel aller Bürger Bestechungsgelder locker gemacht. Schon bei der Geburt ihres Kindes müssen Eltern im Krankenhaus Schmiergeld zahlen, um eine halbwegs menschenwürdige Behandlungen zu bekommen. Selbst welches Grab der Vater nach dem Tod bekommt, lässt sich mit Geld regeln - diskret in einem Umschlag über den Tisch geschoben. Auch in Schule und Universität läuft ohne "Belohnung" von Lehrern und Professoren nichts. Die Experten von "Transparency International" (TI) setzten im vergangenen Jahr Bulgarien, Mazedonien und Rumänien auf Platz 71 der Korruptionsliste, weil der Wert von 3,9 ihnen miserablen Umgang mit Korruption bescheinigte. Zum Vergleich: Die Schweiz steht auf Platz 5 (mit einem Wert von 9,0), Deutschland auf Platz 14 (8,0) und Österreich auf Platz 16 (7,9). Deutlich schlechter schneiden Serbien auf Platz 83 (3,5) und Albanien auf Platz 95 (3,2) ab. In Europa ist Bosnien-Herzegowina auf Platz 99 (3,0) der korrupteste Staat.

"In Bosnien bilden die politischen Eliten den Hauptmotor für Korruption", sagt der dortige TI-Direktor Srdjan Blagovcanin. "Die so genannte kleine Korruption in den Bereichen Gesundheit, Bildung, Verwaltung und Polizei ist die Folge der großen Betrügereien." Die Bürger sähen, dass die "dicken Fische" in der Politik unbestraft bleiben und empfänden es daher als recht und billig, ihre eigenen Anliegen mit Hilfe von "Bakschisch" voranzubringen. Durchschnittlich zahlt ein Bürger in Bosnien beim Arztbesuch umgerechnet 126 Euro Bestechungsgeld, berichteten die lokalen Medien. Mit umgerechnet 223 Euro werden Universitätsprofessoren zu Wohlwollen verpflichtet. Das ist immerhin mehr als die Hälfte eines Durchschnittsgehalts.

"Das sind keine Ärzte sondern Monster!", titelte im Juli die Belgrader Zeitung "Press". Am nationalen Krebsinstitut Serbiens waren führende Ärzte samt Direktor unter dem Vorwurf verhaftet worden, sie hätten Krebskranken unnötige Zytostatika verabreicht, um saftige Provisionen zu kassieren. Nach Darstellung der Ermittler hatten sie dafür von Pharmafirmen mehr als eine halbe Million Euro erhalten, mit denen sie teure Autos finanzierten.

Doch das sind alles kleine Fische im Vergleich zum ganz großen Rad, das von Politikern und Behörden gedreht wird. Die EU stoppte vor zwei Jahren die Gelder für den bulgarischen Straßenbau, weil die Millionen in schwarzen Löchern verschwunden waren. Der frühere kroatische Regierungschef Ivo Sanader wird in den Medien mit umstrittenen Krediten der Skandal-Bank Hypo-Alpe-Adria in Verbindung gebracht.

Rumäniens ehemaliger Regierungschef (2000-2004) Adrian Nastase muss vor Gericht erklären, woher 400 000 US-Dollar auf dem Konto seiner Frau kommen. Seine Behauptung, das Geld käme aus dem Verkaufserlös vom Schmuck einer Erbtante, war wenig einleuchtend. Die legendäre Erbtante Tamara lebte ärmlich in einer winzigen Plattenbauwohnung in Bukarest.

Der Belgrader TV-Sender B92 hat im vergangenen Jahr aufgedeckt, dass die Stadtverwaltung zwielichtigen Geschäftsleuten Grundstücke im Wert von "mehreren hundert Millionen Euro" zugeschanzt hatte. Die Behörden haben errechnet, dass in Serbien jährlich bis zu 1,7 Milliarden Euro "gewaschen" werden.

An der Spitze des serbischen Amtes für staatliche Beschaffungen steht der seit Jahrzehnten bekannte windige Geheimdienstfunktionär Borislav Galic. Der Mann, der gerichtlich bestätigt politische Mörder mit neuen Pässen ausgestattet hatte, steuert jährliche Bestellungen in Höhe von vier Milliarden Euro ohne jede Kontrolle und Transparenz, berichtete die Zeitung "Blic" wiederholt. "Die Parteien sind Firmen für Schutzgelderpressung", schrieben dortige Medien über besonders dreiste Korruptionsfälle. Und dann noch das Justizsystem. Die großen aufgedeckten Korruptionsfälle von Spitzenpolitikern verlaufen in Rumänien wie in allen anderen Balkanstaaten in der Regel im Sande. Wenn sich dann doch ein Urteil abzeichnet, wird unter einem oft lächerlichen Vorwand wie Urlaub der Richter ausgetauscht und das Verfahren beginnt wieder von vorne.

Soziologen machen unter anderem den Mangel zur Zeit des Kommunismus oder die heute oft bittere Armut in einigen Landesteilen für die Korruption verantwortlich. dpa

"Die politischen Eliten bilden den Hauptmotor für die Korruption."

Srdjan Blagovcanin, Direktor von Transparency International in Bosnien

 Haider unterhält sich mit Gaddafi-Sohn Seif el Islam. Foto: dpa

Haider unterhält sich mit Gaddafi-Sohn Seif el Islam. Foto: dpa

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