Guttenbergs Bewährungsprobe

Berlin. Heute beginnt für Karl-Theodor zu Guttenberg (Foto: ddp) die bisher wohl schwierigste Bewährungsprobe seiner steilen Politikerkarriere. Am frühen Nachmittag wird er den Verteidigungsexperten der Koalitionsfraktionen seine Pläne für die weitreichendste Reform in der Geschichte der Bundeswehr vorstellen. Anschließend gibt es einen Termin mit den Obleuten aller Fraktionen

Berlin. Heute beginnt für Karl-Theodor zu Guttenberg (Foto: ddp) die bisher wohl schwierigste Bewährungsprobe seiner steilen Politikerkarriere. Am frühen Nachmittag wird er den Verteidigungsexperten der Koalitionsfraktionen seine Pläne für die weitreichendste Reform in der Geschichte der Bundeswehr vorstellen. Anschließend gibt es einen Termin mit den Obleuten aller Fraktionen. Der CSU-Politiker will die Streitkräfte um mindestens 80 000 - von derzeit gut 250 000 auf 165 000 bis 170 000 - Soldaten verkleinern, die Wehrpflicht aussetzen und die Führungsstrukturen effizienter gestalten. Bereits in wenigen Wochen soll die Reformdebatte abgeschlossen sein. Bis Ende des Jahres sollen alle wichtigen Grundsatzentscheidungen getroffen sein. "Wir können uns heute nicht mehr leisten, diese Diskussion weiter auf die lange Bank zu schieben", sagte der Minister gestern.Die meiste Überzeugungsarbeit wird Guttenberg in den eigenen Reihen zu leisten haben. Die Wehrpflicht gilt als ein "Markenkern" der Union, als eine "heilige Kuh", die in mehr als 50 Jahren niemand anzutasten gewagt hat. Befürworter des Pflichtdienstes befürchten, dass die Idee des "Staatsbürgers in Uniform" zunichte gemacht wird und sich die Verankerung der Bundeswehr in der Gesellschaft löst. Auf der anderen Seite ist die Wehrgerechtigkeit schon lange nicht mehr gegeben, weil weniger als 20 Prozent eines Jahrgangs den Dienst an der Waffe tatsächlich antreten. Zudem sind sich alle Experten einig, dass in der inzwischen auf sechs Monate verkürzten Dienstzeit keine sinnvolle Ausbildung mehr möglich ist. "Es gibt ein breites Meinungsbild in den Unionsparteien", sagte Guttenberg gestern. Die Entscheidung wird im Oktober und November auf den Parteitagen von CSU und CDU fallen.Von Kanzlerin Angela Merkel (Foto: dpa) erhielt Guttenberg gestern für die anstehende harte Auseinandersetzung Rückendeckung. Die CDU-Vorsitzende bekräftigte, dass es keine Denkverbote geben dürfe. Das gelte auch für "ein Neudenken der Rolle der Wehrpflicht". Bereits vor der Sommerpause hatte Merkel deutlich gemacht, dass auch die Sparvorgabe des Kabinetts von 8,3 Milliarden Euro nicht in Stein gemeißelt ist. "Wegen zwei Milliarden kann ich nicht die deutsche Sicherheit aufs Spiel setzen", sagte sie. Frühzeitig auf ein Modell festlegen wird sich die Kanzlerin allerdings nicht. Sie wird abwarten, wie die Diskussion in ihrer Partei verläuft, und zunächst ihren Minister die Auseinandersetzung alleine führen lassen. Dem "Spiegel" zufolge bemüht sich Merkel jetzt darum, die CDU von einem Abschied von der Wehrpflicht zu überzeugen. So führte sie Gespräche mit Unionsfraktionschef Volker Kauder, um diesen von seinem Nein zur Freiwilligenarmee abzubringen - angeblich mit Erfolg. Kauder versicherte demnach intern, dass die Bundestagsfraktion kein Veto einlegen werde, falls sich die Mehrheit der CDU für ein Aussetzen der Wehrpflicht ausspreche. Mit der FDP wird Guttenberg wohl ohnehin kaum Probleme bekommen. Die Liberalen hatten schon im Wahlkampf die Umwandlung der Bundeswehr in eine Freiwilligenarmee gefordert. Und auch in der Opposition gibt es viel Sympathie für die Reformpläne des Ministers. Die SPD ist für eine Aussetzung der Wehrpflicht, Grüne und Linke wollen sie abschaffen.Sollte die Wehrpflicht ausgesetzt werden, will das Bundesfamilienministerium einen freiwilligen Zivildienst aufbauen. "Wenn es so kommt, kann ich mir vorstellen, einen neuen freiwilligen Zivildienst für Männer und Frauen einzuführen", sagte Ministerin Kristina Schröder (CDU) der "Bild am Sonntag."

HintergrundMehrere Wirtschaftswissenschaftler fordern ein Ende des Zivildienstes. "Der Zivildienst führt zu Vergeudung von Talent und Ressourcen", sagte beispielsweise der Direktor am Max-Planck-Institut für Geistiges Eigentum, Wettbewerbs- und Steuerrecht, Kai Konrad, der "Welt am Sonntag". "Er vernichtet außerdem Arbeitsplätze und führt zu Wettbewerbsverzerrungen." Krankenhäuser und Altersheime sollten "den echten Preis für alle Arbeitskräfte" zahlen, die sie benötigten, so Konrad. epd

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