„Grüßen Sie alle, die mich im Saarland noch kennen“

Berlin/Saarbrücken · Er ist der berühmteste Kriegsreporter der Republik: Peter Scholl-Latour erklärt den Deutschen seit sechs Jahrzehnten die Welt. Mit 90 ist er noch immer unterwegs – demnächst im Tschad für ein neues Buch.

Anruf bei Peter Scholl-Latour. Seine Assistentin ist dran. "Ach ja, Saarbrücker Zeitung. Weiß schon, für Sie hat er ja immer Zeit." Eine Reminiszenz an die Zeit, als er in Saarbrücken Volontär und Redakteur war. Sofort sprechen kann man ihn aber nicht. "Er ist heute Morgen gerade aus Syrien zurückgekommen und hat sich erstmal hingelegt. Dann meldet er sich." Scholl-Latour macht ein Nickerchen. Zwei Stunden später ruft er zurück.

Der Islam, so hat es einmal ein Kabarettist gesagt, habe drei Glaubensrichtungen: Sunniten, Schiiten - und Peter Scholl-Latour. Jedenfalls hat der Journalist das Bild der Deutschen von der arabischen Welt, aber auch von Asien und Afrika, nachhaltig geprägt. Ob im Fernsehen oder in seinen Bestsellern: Als "letzter Welterklärer" ("Der Spiegel") gibt es wohl kaum eine Talk-Couch, auf der Scholl-Latour nicht schon saß.

In seinem mittlerweile legendären Nuscheln berichtet Scholl-Latour von der großen Politik. Er war überall und hat sie alle gekannt - vom Ajatollah Khomeini bis zum Vietcong-General Vo Ngyuen Giap. Stempel von 200 Staaten, von denen so mancher schon lange untergegangen ist, hat er in seinen Pässen. In ein paar Tagen kommt wohl ein neuer Stempel hinzu: Dann reist Scholl-Latour nach N'Djamena in den Tschad. "Ich muss wieder raus", sagt er. Gerne würde er auch wieder ins Saarland kommen, aber "ich kenne ja keinen mehr. Meine Freunde von damals sind ja fast alle tot". Vor drei Jahren war er in Homburg, um für die Siebenpfeiffer-Stiftung einen Vortrag zu halten. 750 Leute kamen, der Saalbau war so voll, dass eilig weitere Stühle hereingetragen werden mussten. Da war er 87 und das Gehen fiel ihm schon schwerer. Es war eher ein Schlurfen. Nichtsdestotrotz spulte er eineinhalb Stunden lang routiniert eine geschliffene Rede über den Arabischen Frühling ab.

Erst vor drei Wochen war er wieder im Libanon. "Wir wollten nach Damaskus, haben aber kein Visum bekommen", erzählt Scholl-Latour in seiner Wohnung in Berlin-Charlottenburg. Von hier aus sieht man den Funkturm, im Osten ahnt man den Fernsehturm am Alexanderplatz. An einer Wand hängt eine Kalligraphie aus China ("Die hat mir der Bruder des letzten Kaisers gewidmet"), gegenüber der junge Napoleon in der Schlacht von Marengo. Viele seiner insgesamt 32 Bücher erzählen von Kriegen. Und schon die Titel lassen meist nichts Gutes ahnen. Ob "Der Wahn vom Himmlischen Frieden" über China, "Allah, Blut und Öl" oder "Afrikanische Totenklage", "Welt aus den Fugen" - Scholl-Latours Welt ist geprägt von Mord, Machtkämpfen und Verschwörungen. Damit landete er fast immer Bestseller. "Heute lässt sich kein Krieg mehr gewinnen", sagt er. Die USA hätten das im Irak und in Afghanistan zu spüren bekommen. Von Pakistan nach Herrensohr im Saarland ist es für Scholl-Latour nur ein kleiner Schritt. In einer TV-Talkshow ereiferte er sich einmal über Mitglieder einer islamistischen Terrorzelle, die sich eine Zeit lang eben in Herrensohr traf. Die Mitglieder zählten zum Umfeld des 2007 verhafteten Daniel Schneider aus Neunkirchen, der mit der Sauerland-Gruppe Anschläge in Deutschland plante. "Herrensohr - das kenne ich gut. Nicht zu fassen."

Scholl-Latour ist der Sohn eines im Saarland geborenen und in Lothringen aufgewachsenen Arztes, schon früh blickte er über den eigenen Tellerrand. Seine elsässische Mutter ("eine Frau mit viel Courage") entkam als Jüdin knapp der Deportation. Scholl-Latour ging im schweizerischen Fribourg in ein Jesuitenkolleg. Seine Eltern wollten ihn nicht in Deutschland haben: Nach den Nürnberger Rassegesetzen galt er als "Mischling ersten Grades". Lange hielt Scholl-Latour es nicht an einem Platz aus. Die Zeit als Regierungssprecher im Saarland, WDR-Fernsehdirektor oder "Stern"-Chefredakteur blieben Episoden. Was blieb waren seine Reisen in die Krisengebiete der Welt, wo er sich richtig wohl fühlte. Sein größter Scoop war der Flug mit dem iranischen Revolutionsführer Khomeini aus dem Exil nach Teheran.

Seinen 85. Geburtstag hatte Scholl-Latour noch im Saarland gefeiert. Seinen 90. an diesem Sonntag wird er in Berlin begehen. Nicht, ohne dabei an seine alte Heimat zu denken: "Grüßen Sie alle, die mich im Saarland noch kennen."

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