Grüne bleiben unbequem – irgendwie

Münster · Reichensteuer, Garantierente, Hartz-IV-Sanktionen abschaffen: Die Grünen setzten bei ihrem Bundesparteitag auf linke Themen. Und darauf, unbequem zu bleiben. Der Führungsstreit köchelt wohl trotzdem weiter.

 Die Welt ist wieder in Ordnung: Grünen-Chefin Simone Peter freute sich über den Kompromiss zur Vermögenssteuer. Die Saarländerin war immer dafür, anders als ihr Co-Chef Özdemir.Foto: Thissen/dpa

Die Welt ist wieder in Ordnung: Grünen-Chefin Simone Peter freute sich über den Kompromiss zur Vermögenssteuer. Die Saarländerin war immer dafür, anders als ihr Co-Chef Özdemir.Foto: Thissen/dpa

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"Wir bleiben unbequem." So steht es fett an der Podiumswand im Kongresszentrum von Münster . Davor erklimmt gerade ein unbequemer Gast die Bühne. Ausgerechnet Daimler-Boss Dieter Zetsche soll zum Thema Energie und Verkehrswende sprechen - der Parade-Disziplin der Grünen. "Das Auto mordet", hat ihm zuvor ein Delegierter am Mikrofon vorgehalten. Der Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, Jürgen Resch, den die Parteitagsregie als Gegenpol zu Zetsche vorgesehen hat, zieht auch vom Leder und erinnert an den Skandal um manipulierte Abgaswerte, in den auch Daimler verstrickt ist. Nur Parteichef Cem Özdemir spricht von einem "Hammer-Kompliment", dass sich Zetsche überhaupt in die Höhle des grünen Löwen traut. Es nützt nichts. Die Grüne Jugend johlt. Andere buhen. Zetsche beeindruckt das wenig, er redet, unter anderem von einer großen Zukunft der Elektromobilität. Freunde werden beide Seiten nicht. Genau deshalb ist dieser Tagesordnungspunkt zum Abschluss des grünen Delegiertentreffens in Münster ein gelungener Beitrag zur Selbstvergewisserung der Partei.

Der politisch ranghöchste Grüne, Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann , ist mit Zetsche gewissermaßen jeden Tag auf Tuchfühlung. Im "Ländle" sorgt der Konzern für Arbeitsplätze und Wohlstand. Kretschmann ist deshalb auch gegen ein konkretes Datum für den Ausstieg aus den klassischen Verbrennungsmotoren, wie es seine Partei für 2030 anstrebt. Nach Münster ist Kretschmann jedoch gekommen, um über ein anderes Reizthema zu sprechen: Weil die Parteiführung nicht unter einen Hut kam, stehen gleich fünf Anträge über die Besteuerung der "Reichen" zur Auswahl. Eindringlich rät Kretschmann von einer Wiederbelebung der vom Bundesverfassungsgericht verworfenen Vermögenssteuer ab, weil sie kleinere und mittlere Unternehmen besonders bei schlechter Auftragslage belaste. Die Delegierten quittieren es mit eisigem Schweigen. Nach sieben Stunden Debatte setzt sich der Antrag der Fraktionschefs Katrin Göring-Eckardt und Anton Hofreiter durch. Er enthält sowohl die Vermögens- als auch die Erbschaftsteuer. Allerdings so hinreichend vage, dass sich viele Realos wie Özdemir ihre Niederlage schönreden. Co-Chefin Simone Peter dagegen jubelt. Die linke Flügelfrau hatte sich schon vor Wochen zum Eckardt-Hofreiter-Kompromiss bekannt, was Özdemir gar nicht lustig fand. In Münster haben die beiden nur verachtende Blicke füreinander.

Und sonst? Unter dem Banner der sozialen Gerechtigkeit beschließt man die Abschaffung des Ehegattensplittings, diesmal nur für künftige Ehen. Auch eine "Garantierente" ist im Angebot, und die Beseitigung aller Sanktionen für Hartz-IV-Empfänger, die ihre Auflagen nicht erfüllen. Und man will eben unangenehm bleiben.

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