Große Koalition beginnt mit kleinem Postengeschacher

Berlin · Der neue Bundestag kommt heute erstmals zusammen – und gleich geht es ans Eingemachte. Union und SPD wollen sich einen zusätzlichen Vize-Parlamentspräsidenten-Posten gönnen. Das kommt bei den kleinen Parteien schlecht an.

Die heutige erste Sitzung des neu gewählten Bundestages beginnt mit einem Vorgeschmack auf die große Koalition: Union und SPD wollen mit ihrer gemeinsamen Mehrheit durchsetzen, dass sie anders als bisher jeweils zwei Parlamentsvizepräsidenten bekommen, die Oppositionsparteien Grüne und Linke weiter jeweils nur einen. Es wird eine hitzige Debatte erwartet. Regierungsparteien und Opposition werden im Parlamentspräsidium nach diesem Plan künftig im Verhältnis fünf zu zwei vertreten sein, denn Parlamentspräsident wird wieder Norbert Lammert (CDU) werden. Die stärkste Fraktion hat traditionell ein Anrecht auf den Posten.

Die Ausweiterung der Zahl der hoch besoldeten Stellvertreter (12 375 Euro monatlich) wurde schon gestern von Oppositionspolitikern heftig kritisiert. "Das Ganze riecht nach einem Deal der künftigen großen Koalition", sagte die Fraktionsgeschäftsführerin der Linken, Petra Sitte, unserer Zeitung. Sie vermute, dass diese "Postenschieberei" bereits bei den Sondierungen verabredet worden sei. "Das gehört zum Paket." Union und SPD argumentierten, durch den Fortfall der FDP sei ein Präsidiumsplatz frei geworden. Für die verbliebenen Vizes hätte das eine steigende Arbeitsbelastung bedeutet. Außerdem kehre man nur zurück zu der Regelung, die es schon 2005 gegeben habe. Auch damals regierte eine große Koalition.

Union und SPD haben im neuen Bundestag eine Mehrheit von 80 Prozent. Das kann man heute auch sehen. Letzte Woche wurde im "Vorältestenrat" festgelegt, wie viele der telegenen Sitzplätze in der ersten Reihe welche Fraktion bekommt. Ergebnis: Union sieben, SPD fünf, Grüne und Linke jeweils zwei. Die Grünen sitzen zwischen Union und SPD. Es gibt aber einen neuen Oppositionsführer: Gregor Gysi von den Linken. Was die Rechte der Mini-Opposition angeht, so wollen Union und SPD allerdings dafür sorgen, dass Grüne und Linke künftig auch mit nur 20 Prozent zum Beispiel die Einberufung eines Untersuchungsausschusses durchsetzen können. Bisher gilt dafür eine 25-Prozent-Hürde.

Die Regierungsbank bleibt am ersten Tag leer, weil das Kabinett ab heute offiziell nicht mehr im Amt ist. Die Unions-Minister haben alle ein Mandat und damit einen Stuhl im Plenarsaal. Nicht aber die fünf Regierungsmitglieder der FDP, deren Fraktion bei der Wahl aus dem Bundestag flog. Ihnen wurde angeboten, auf der Gästetribüne Platz zu nehmen. Aber als bemitleidenswerte Gestalten auf dem Präsentierteller sitzen, das wollten Westerwelle, Rösler und Co. denn doch nicht. Sie bleiben also der Sitzung fern.

Heute Nachmittag wird die bisherige schwarz-gelbe Regierung formell von Bundespräsident Joachim Gauck entlassen. Auch Kanzlerin Angela Merkel. Allerdings wird Gauck Merkels Kabinett bitten, "geschäftsführend" weiterzumachen. Unwahrscheinlich ist eine weitere Bundestagssitzung vor der Bildung einer neuen Koalition nicht, denn drei Auslandseinsätze der Bundeswehr laufen zum Jahresende aus und müssen vom Bundestag verlängert werden. Vorsorglich wurde deshalb schon ein Sitzungstermin in der letzten Novemberwoche blockiert, zwei weitere Sitzungswochen gibt es womöglich im Dezember. Aber ohnehin müssen Union und SPD Regeln finden, wie sie sich in dieser Übergangsphase koordinieren. Auch vor EU-Gipfeltreffen. Bei den Posten jedenfalls klappt das schon ganz gut.

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