Göttlicher Kult auf vier Rädern

Saarbrücken · DS – der Klang dieser Buchstaben erinnert an das französische Wort „déesse“. Für Liebhaber ist die Citroën DS tatsächlich eine Göttin der Straße. Vor allem auch im Saarland sind die eleganten Oldtimer Kult.

 Göttinnen unter sich: Die „DS-Freunde Saar-Lor-Lux“ bei ihrer ersten Ausfahrt in diesem Frühling. Fotos: oliver Dietze

Göttinnen unter sich: Die „DS-Freunde Saar-Lor-Lux“ bei ihrer ersten Ausfahrt in diesem Frühling. Fotos: oliver Dietze

Dunkelgrau, Bordeauxrot, Türkisblau, Knallrot, wieder Dunkelgrau - dazwischen immer ein Stückchen glatter luxemburgischer Asphalt. Die Autos rollen ganz gleichmäßig über die Straßen. Aber auch bei Dellen und Löchern würde man davon nicht viel bemerken. Der ausgefeilten Radfederung sei Dank. Die Kolonne mit den schnittigen Oldtimern zuckelt gemütlich dahin, ihr Ende mit dem perlweißen Kombi ist hinter einem saftig grünen Hügel verborgen. "Alle DS da?", fragt Alfred Strupp mit einem Blick in den Seitenspiegel. 15 Autos müssten es sein. Beifahrerin Sabine Schmidt dreht sich um und gönnt sich einen ausgedehnten Blick. Das Fenster ist leicht geöffnet, sie lässt sich den Fahrtwind durch die Haare wehen. "Das sieht echt geil aus", murmelt sie verträumt.

Bis auf die verschiedenen Farben sehen die Autos für den Laien gleich aus: historisch, elegant und gleichzeitig lässig. Nur der Liebhaber erkennt die verschiedenen Baujahre. 15 Exemplare des legendären DS-Typs von Citroën sind an diesem milden Samstag auf der ersten Ausfahrt in den Frühling. Am Steuer der Wagen sitzen Männer und Frauen der "DS-Freunde Saar-Lor-Lux". Zu dem Freundeskreis gehören 31 Leute, alle zwei Monate treffen sie sich. Die erste Fahrt des Jahres ist etwas Besonderes.

Von Saarbrücken aus bummeln sie gelassen per Landstraße über Remich nach Manderen, Saarburg und Perl. Am Ende der Tour werden sie einen Weinkeller, das Schloss Malbrouck und eine Bierbrauerei besucht haben. Aber eigentlich geht es darum, sich in einer lockeren Runde von Gleichgesinnten über die gemeinsame Leidenschaft auszutauschen, über Ersatzteile, Arbeitsstunden und Anekdoten rund um die Citroën DS.

Über 1,3 Millionen Exemplare von der DS hat der französische Autohersteller zwischen 1955 und 1975 gefertigt. DS, dahinter steckt vor allem ein Vierzylinder-Reihenmotor, eine aerodynamische Karosserie und die hydropneumatische Federung für alle vier Räder. DS, das heißt aber auch "Göttin". Der Klang der Buchstaben erinnert an das französische Wort "déesse". "Die DS kann auch auf drei Rädern fahren, die Federung gleicht das aus, ohne dass man es merkt", schwärmt Marwin Roth. Der Initiator des Freundeskreises fährt die Strecke in einer blauen DSuper. Diese DS ähnelt wegen ihrer Farbe jener aus "Die Ausgebufften". Dem Film, der Gérard Depardieu und Miou-Miou 1974 über Nacht zu Stars machte. Überhaupt hatte das Kino eine Schwäche für die DS: Sie taucht in "Scarface" und "Zurück in die Zukunft 2" auf, Louis de Funès rollt in ihr über die Leinwand, Fantômas fliegt mit ihr gar durch die Luft.

Doch dieses Auto hier ist "ein Scheunenfund" aus Sarre-Union. So einfach eine DS zu finden, sei ziemlich selten. Zumal die Nachfrage steige: "Die DS hat sich im Saarland immer ihren Status als Kultauto bewahrt", sagt Roth, als es über die engen Landstraßen nach Waldwisse geht. "Ende der 50er und 60er Jahre war sie das Auto der Ärzte, Kauf- und Geschäftsleute, auch die Vorstände der IHK und der Saar-Bergwerke haben sie gefahren", erinnert sich Roth. Als Kind hat er die DS von Freunden seiner Eltern bewundert, später jahrelang selbst nach einer gesucht. So wie ihm ist es vielen aus dem Freundeskreis gegangen: Bei ihnen waren es der Dorfarzt, der Vater, der Onkel oder die Arbeitskollegen der Eltern, die eine DS fuhren. "Dieses Auto war seiner Zeit weit voraus, die Leute hatten begonnen, der Technik zu trauen und wurden scharf darauf", erklärt Roth die Anziehungskraft. "Außerdem gab es noch nie so ein bequemes Auto."

Ein Grund für die heutige Popularität unter Oldtimerfreunden ist eher pragmatischer Natur: An Ersatzteilen gebe es noch alles und allein im Saarland mehrere spezialisierte Werkstätten. Es geht aber auch einfacher: Während der Fahrt bekommt Roth spontan Hilfe bei der "Reparatur" seines Rücklichts. "Wahrscheinlich hat der Peter Bauer zweimal draufgehauen", sagt der 58-Jährige lachend. Zwischen 7000 und 35 000 Euro müsse man - je nach Zustand - für eine DS bezahlen, für ein Cabrio gar 75 000 bis 125 000 Euro. Eine intensive Kapitalanlage, weiß Roth. Aber eine, die sich lohnt, findet er.

Die Kolonne der anderen "Göttinnen" folgt ihm stetig. Bis auf eine Ausnahme. Irgendwo hinter der Grenze zu Luxemburg gehen zwei Autos kurzfristig verloren. Die günstigen Spritpreise verlocken zu sehr. Als sich schließlich alle Fahrer vor der Weinkellerei in Remich eingefunden haben, fühlt man sich - mit Blick auf den Parkplatz - an eine Oldtimerausstellung erinnert. Nach dem Rundgang und einem Imbiss nutzen einige Fahrer die Geräumigkeit der Kofferräume und verstauen so manche erworbene Weinflasche. Unterdessen holt sich ein Junge vom Tisch noch einen Bissen Wegzehrung. Ist er erwachsen, hat sein Vater für ihn ein besonders Geschenk: Denn aus den Jahrgängen 2003 und 2005, den Geburtsjahren seiner Kinder, hat Peter Bauer Rotweine gekauft. "Die sollen noch 20 Jahre lagern, und nicht einfach so weggetrunken werden", sagt Bauer.

Nach dem Anlassen der DS pumpt die hydropneumatische Federung. Das Auto tackert spürbar und zentimeterweise nach oben. Die Hydropneumatik reguliert automatisch das Niveau des Wagens und sorgt so bei unterschiedlicher Beladung immer für konstante Bodenfreiheit. Bis zu 27 Zentimeter kann der Unterschied ausmachen. Stoßdämpfer und Stahlfedern braucht es da keine, ihre Arbeit übernehmen Hydrauliköl und Stickstoff. Jedes Rad ist durch den Kolben eines Hydraulikzylinders mit einer gasgefüllten Federkugel verbunden. Für den Liebhaber sind diese technischen Details das kleine Einmaleins der DS. Für den Laien ist sie einfach bequem, diese "Göttin". Gar bequemer als heutige Autos.

Als die Wagen zum Château de Malbrouck hinaufklettern, drehen sich rechts und links der Straße die Köpfe. Wer den Fotoapparat dabei hat, zückt ihn. "Es ist eine schöne Bestätigung für die Arbeit, die man in diese Autos steckt", sagt Stefan Warken über solche Momente.

 Ein wahrer Blickfang ist die Gruppe mit den Citroën DS. Elegant und lässig zugleich sind die kultigen Oldtimer.

Ein wahrer Blickfang ist die Gruppe mit den Citroën DS. Elegant und lässig zugleich sind die kultigen Oldtimer.

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HintergrundEine DS braucht nicht alle vier Räder - das bewies der 22. August 1962 im Pariser Vorort Le Petit-Clamart. Anhänger einer nationalistischen Gruppe wollten den Präsidenten Charles de Gaulle erschießen. Doch sie trafen nicht de Gaulle, sondern die Hinterreifen seiner DS. Das Auto fuhr dank der hydropneumatischen Federung stabil weiter.1968 baute Citroën für de Gaulle die DS 21 Prési dentielle. Mit über sechs Metern war sie länger als die Limousinen der amerikanischen Präsidenten Lyndon B. Johnson and Richard Nixon. Doch de Gaulle bevorzugte die einfacheren Modelle: Er mochte es nicht, durch eine Scheibe vom Chauffeur getrennt zu sein. sop

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