Gnade für den "Lockerbie-Bomber"

London. Abdel Bassit Ali Mohammed al-Megrahi flog in die Freiheit und seinen nahen Tod. Der Libyer war 2001 wegen des Bombenanschlags auf eine Maschine der US-Fluglinie PanAm über Lockerbie zu lebenslanger Haft verurteilt worden, die er in einem schottischen Gefängnis verbüßte. Wegen seines Krebsleidens wurde er nun begnadigt

London. Abdel Bassit Ali Mohammed al-Megrahi flog in die Freiheit und seinen nahen Tod. Der Libyer war 2001 wegen des Bombenanschlags auf eine Maschine der US-Fluglinie PanAm über Lockerbie zu lebenslanger Haft verurteilt worden, die er in einem schottischen Gefängnis verbüßte. Wegen seines Krebsleidens wurde er nun begnadigt. Justizminister Kenny MacAskill begründete diese umstrittene Entscheidung mit den Prinzipien der schottischen Rechtsphilosophie: "Unsere Justiz verlangt, dass ein Urteil gefällt wird, aber auch Gnade möglich ist. Mitgefühl und Gnade sind die Leitlinien unserer Lebensart und bestimmen die Werte der schottischen Nation - ganz gleich, wie schwer dagegen verstoßen wurde und welche Gräueltat verübt wurde. Aus diesem Grund wird Abdel Bassit Ali Mohammed al-Megrahi, der nun im Endstadium seines Prostatakrebsleidens ist, entlassen und darf nach Libyen zurückkehren, um dort zu sterben." Die schottische Justiz hätte auch die Möglichkeit gehabt, den heute 57-jährigen Häftling auf Grund eines Austauschabkommens nach Libyen abzuschieben, damit er dort den Rest seiner Strafe absitzen kann. Doch dies hätte in den USA noch größere Empörung als die jetzt gefundene humanitäre Lösung geerntet. Zwei Drittel der 270 Opfer des Attentats auf eine PanAm-Maschine über dem schottischen Ort Lockerbie am 21. Dezember 1988 waren US-Bürger. Außenministerin Hillary Clinton und über ein Dutzend Senatoren protestierten formell dagegen, dass al-Megrahi jemals aus seinem schottischen Gefängnis frei kommt. Der schottische Justizminister Kenny MacAskill zeigte großes Verständnis für die amerikanische Haltung und betonte, dass er keine Zweifel an der Schuld al-Megrahis habe, der bei seinem Anschlag jegliche Humanität vermissen ließ. Aber eine humane Gesellschaft dürfe dadurch nicht von ihren Prinzipien abirren. Der Gnadenakt berühre in keiner Weise künftige juristische Verfahren, in denen der Prozess und die Hintergründe des Anschlags noch einmal aufgerollt würden. Al-Megrahi hatte nie eine Schuld bekannt und hatte eine Revision des Urteils beantragt. Im April eröffnete ein Gericht in Edinburgh ein neues Verfahren, weil eine Kommission die Möglichkeit eines Justizirrtums festgestellt hatte. Auf Rat seiner Anwälte zog er letzten Monat den Revisionsantrag zurück, um in den Genuss eines Häftlingsaustausches oder eines Gnadenerweises zu kommen. Die behandelnden Ärzte geben ihm allenfalls eine Lebenschance von ein paar Monaten. So wird al-Megrahi wohl nie seine Behauptung beweisen können, dass er unschuldig sei. Kritiker sehen weniger "humanitäre Gründe" für seine Freilassung als britische Wirtschaftsinteressen in Libyen. Tatsächlich markiert die Rückkehr al-Megrahis in seine Heimat einen neuen Meilenstein in der Entwicklung von Muammar al-Gaddafis "Schurkenstaat" zum respektablen Handelspartner.

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