Sondierung Gewitterwolken über Jamaika – Aufheiterung vertagt

Berlin · Union, FDP und Grüne sprachen gestern über Klimaschutz, aber am eigenen Klima haperte es. Am Ende gab es lange Gesichter – und fast kein Ergebnis.

 Graue Wolken über dem Balkon: Armin Laschet (CDU; links) und FDP-Parteichef Christian Lindner in einer Pause der schwierigen Sondierungsgespräche. Kein Wunder: Es ging um Klima und Asyl.

Graue Wolken über dem Balkon: Armin Laschet (CDU; links) und FDP-Parteichef Christian Lindner in einer Pause der schwierigen Sondierungsgespräche. Kein Wunder: Es ging um Klima und Asyl.

Foto: dpa/Maurizio Gambarini

Auf dem Balkon der ehrwürdigen Parlamentarischen Gesellschaft in Berlin lässt sich immer wieder mal begutachten, wie es bei Jamaika gerade läuft. Lassen sich die Unterhändler gemeinsam winkend fotografieren? Gucken die Raucher ernst oder entspannt? Gestern Nachmittag betritt FDP-Chef Christian Lindner diesen Balkon. Umarmt Alexander Dobrindt, CSU. Umarmt Armin Laschet, CDU. Umarmt nicht: Katrin Göring-Eckardt, Grüne. Immerhin: Sie lacht darüber. Das ist an diesem kühlen Herbsttag gar nicht so selbstverständlich.

Denn es geht vor allem ums Klima und um Asylpolitik. Zwei Themen, an denen die Sondierungen leicht scheitern könnten, wenn eine der vier Parteien auf stur schaltet. Um das zu vermeiden, wird erst mal übers Klima gesprochen – und zwar das interne. Der offene Streit vom Vortag darüber, was zur Finanzpolitik nun vereinbart sei und was nicht, wirkt nach.

Von einem „kleinen reinigenden Gewitter“ sprechen Teilnehmerkreise. Kanzlerin Angela Merkel (im grünen Jackett) soll hinter verschlossenen Türen klar gemacht haben, dass eben noch nichts vereinbart sei – auch nicht die Abschaffung des „Soli“ bis 2021. Die hatte FDP-Vize Wolfgang Kubicki als abgemachte Sache verkauft. Das wiederum hatte die Grünen erzürnt – deren Verhandlungsfähigkeit dann FDP-Fraktionsgeschäftsführer Marco Buschmann infrage stellte.

Auch wenn solche Streitereien zum Sondierungs-Geschäft gehören, weil niemand so wirken will, als gäbe es Schwarz-Gelb-Grün umsonst: Eine Spirale von Sticheleien und Anschuldigungen kann das Projekt gefährden. Das gilt auch für Dobrindt, den CSU-Landesgruppenchef, der diesen Donnerstag einen „Härtetest für Jamaika“ nennt. Er hat für sich die Rolle des skeptischsten Verhandlers seiner Partei angenommen – und deutet in gewohnt provokanter Manier Minuten vor Gesprächsbeginn an, das deutsche Klimaschutz-Ziel für 2020 müsse auf den Prüfstand.

Diese letzte Spitze in Richtung Grüne ist allerdings ziemlich genau fünf Stunden später vom Tisch. Halbwegs. Nach zähem Hin und Her in teils barschem Ton – angeblich wird sogar mit Gesprächsabbruch gedroht – gelingt ein dürrer Minimalkonsens: Die verschiedenen Ziele für die Minderung zum Treibhausgas-Ausstoß bleiben gültig, sowohl die europäischen als auch die nationalen. Allerdings, schiebt die FDP schnell nach: Das Einhalten der Klimaziele sei im Text ausdrücklich ein „Wollen“, das an Verhältnismäßigkeit gebunden sei, kein „Müssen“. Sowieso heißt das Bekenntnis, dass die Klimaziele gelten, für sich genommen erst mal wenig. Diese Ziele gelten seit Jahren, ohne dass Deutschland zuletzt seinen CO2-Ausstoß nennenswert senkte. Trotzdem verbuchen die Grünen die Mini-Einigung als Punktsieg.

Gut zwei Stunden später, gegen 17 Uhr, kommen die vier Generalsekretäre vor die Tür. Thema diesmal: Europa. Das Papier, das sie mitbringen, ist inhaltlich recht dünn. Im „Geist des Miteinanders“ wolle man „mit allen Partnern“ die EU weiterentwickeln. Alles andere: noch zu besprechen. Oben, hinter den schweren Türen der Parlamentarischen Gesellschaft, diskutiert eine kleine Gruppe noch darüber, wie man die Klimaziele denn nun erreichen will. Die große Runde macht beim Mega-Thema Asylpolitik weiter. Ein schwieriger Tag für die Jamaika-Diplomaten.

Er endet am Abend mit langen Gesichtern. Die Grünen sind stocksauer. Ein Zickzackkurs sei das gewesen in der Klimapolitik, sagt Parteimanager Michael Kellner, und den könne man nicht brauchen. Ein gemeinsames Papier gibt es an diesem Tag nicht. Auch keines zur Asylpolitik. Man liegt einfach zu weit auseinander, da sollen jetzt die Parteichefs drüber reden. Den Brückenbauern sei das Material ausgegangen, sagt FDP-Frau Nicola Beer. „Wenn‘s leicht wär, könnte es jeder“, gibt CDU-Mann Tauber den Optimisten.

Wegen der beiden Riesenbrocken Klima und Migration vertagt man sich also. Und dann werde es nochmal „ordentlich knirschen“, sagt CSU-Mann Scheuer. Er meint das Thema Zuwanderung. Für‘s Klima gilt das genau so.

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