Gewinner des Klimawandels"Die Wärme verlängert die Vegetationszeit und lässt die Trauben voll ausreifen"

Mainz. Winzer zählen zu den Gewinnern des Klimawandels. Kein Wunder: Weinreben sind "Sonnenkinder", die Pflanze hat ihre Heimat ursprünglich in weit südlicheren Gefilden. Sonne und Wärme sorgen für reife Trauben und gute Weinqualitäten. Allerdings stellt die Veränderung die Weingüter auch vor Herausforderungen

 Reif und knackig, einfach zum Anbeißen: Das wärmere Wetter durch den Klimawandel bekommt den Trauben in Deutschlands Weinbergen. Die Weine der vergangenen Jahre sind alle als gut oder sehr gut bewertet worden. Foto: dpa

Reif und knackig, einfach zum Anbeißen: Das wärmere Wetter durch den Klimawandel bekommt den Trauben in Deutschlands Weinbergen. Die Weine der vergangenen Jahre sind alle als gut oder sehr gut bewertet worden. Foto: dpa

Mainz. Winzer zählen zu den Gewinnern des Klimawandels. Kein Wunder: Weinreben sind "Sonnenkinder", die Pflanze hat ihre Heimat ursprünglich in weit südlicheren Gefilden. Sonne und Wärme sorgen für reife Trauben und gute Weinqualitäten. Allerdings stellt die Veränderung die Weingüter auch vor Herausforderungen. Neue Schädlinge breiten sich aus, mehr Hagelschäden drohen, manche Weinberge müssen künftig häufiger bewässert werden. "Das Wetter war schon immer das wichtigste Thema im Weinbau, schließlich sind Winzer zu 100 Prozent davon abhängig", sagt Ernst Büscher vom Deutschen Weininstitut in Mainz. Daher treibt der Klimawandel die Winzer natürlich um - und hat in den vergangenen Jahren bereits zu ein paar Superlativen beigetragen: früheste Rebblüte seit Beginn der Aufzeichnungen, kürzeste Lese und die höchsten Mostgewichte, die den Zuckergehalt der Trauben widerspiegeln.

Wein ist zwar mit seinen bis zu 15 Meter tiefen Wurzeln gut an wärmere Standorte angepasst und kann auch tiefe Wasserspeicher anzapfen, aber: "Eine Rebe ist kein Kaktus", sagt Büscher. Trockenheit drohe vor allem auf Sandböden oder in steilen Lagen. Beispielsweise in Ellerstadt in der Pfalz hätten sich Winzer zusammengetan und eine Anlage für Tröpfchenbewässerung angeschafft. Dennoch überwiegen die Vorteile der Wetteränderungen: "Die vergangenen neun Jahrgänge sind alle als gut bis sehr gut bewertet worden", sagt Büscher. Herrscht zur Lese stabiles trockenes Wetter, seien die Winzer "in der komfortablen Situation, das Optimum der Traubenreife abwarten zu können".

Der Klimawandel laufe für die Winzer "absolut in die richtige Richtung", sagt auch der Präsident des Verbandes deutscher Prädikatsweingüter (VDP), Steffen Christmann, im pfälzischen Neustadt. Noch in den 1960er bis 1980er Jahren habe es Reifeprobleme gegeben. "Jetzt erreichen wir jedes Jahr Vollreife und sind sehr glücklich darüber", sagt der Winzer. Schließlich liege Deutschland am nördlichen Rand der Weinbauregionen. "Wir können das schon entspannter sehen als etwa die Kollegen auf Sizilien." Sollte es den Reben zu heiß werden, könne der Winzer noch eingreifen. Etwa indem er das Laub der Weinstöcke stärker zurückschneidet und so die Reife verzögert. Oder mit Trieben eine Art Blätterdach über die Rebzeilen spannt, um den Trauben Schatten zu spenden. "Davon sind wir aber noch weit entfernt."

Weinbauversuchsanstalten und einige Weingüter experimentierten mit neuen Anpflanzmethoden, erklärt Büscher. Bislang war der Rebenanbau darauf ausgerichtet, auch noch den letzten Sonnenstrahl einzufangen. Nun sind Strategien gesucht, um die Reifezeit der Trauben zu verlängern. "An der Mosel setzen einige Winzer ihre Weinberge in sonnenärmere Seitentäler oder gehen in höhere Lagen - die bisher oft brach lagen."

Vom Klimawandel profitieren besonders die Rotweinsorten, bei denen die Wärme deutliche Qualitätsschübe bewirkt. Winzer probierten inzwischen vermehrt Sorten aus wie Merlot, Cabernet Sauvignon oder Chiraz, die bislang eher im Mittelmeerraum angebaut wurden, erklärt Büscher. Zwar wird beispielsweise Cabernet Sauvignon bislang auf weniger als einem Prozent der deutschen Rebfläche kultiviert. "Trotzdem ist es wichtig zu zeigen, wir kommen auch mit diesen Sorten zurecht", sagt Büscher.

Echte Probleme sieht der Experte allerdings beim Eiswein. Die Gelegenheiten, diese Spezialität zu ernten, seien geringer geworden, da es zur Lesezeit im November oder Dezember oft nicht kalt genug war. Eiswein wird bei mindestens sieben Grad minus geerntet. "2007 gab es nur einen Tag für die Eiswein-Lese, 2006 fiel sie so gut wie ganz aus", sagt Büscher.

Mit der Wärme steige auch das Risiko, dass sich bisher auf südliche Regionen beschränkte Schädlinge in den hiesigen Weinbauregionen ausbreiteten, erklärt Michael Maixner vom Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen in Bernkastel-Kues an der Mosel. Die Winden-Glasflügelzikade beispielsweise habe bislang überwiegend auf trockenen und heißen Steillagen ihr Unwesen getrieben. Das mediterrane Insekt überträgt die Schwarzholzkrankheit und benötigte bisher die Ackerwinde als Wirtspflanze. Mit dem milderen Klima besiedelte es aber zunehmend auch Brennnesseln - und wanderte mit ihr in neue Regionen ein.Der Klimawandel hat einen positiven Einfluss auf die Weinernte. Inwiefern trifft das auf ihre Reben zu?

Herber: Das nördliche Weinbaugebiet profitiert definitiv vom Klimawandel. Die Wärme verlängert die Vegetationszeit und lässt die Trauben voll ausreifen. Das ist erst seit zehn Jahren jedes Jahr der Fall. Mit Trockenheit hatten wir kaum Probleme, wir brauchen bisher auch keine speziellen Bewässerungssysteme. Ältere Rebstöcke können mit ihren langen Wurzeln die Feuchtigkeit in den tieferen Bodenschichten erreichen.

Denken Sie trotzdem darüber nach, Rebsorten anzupflanzen, die sich besser für heißeres Klima eignen?

Herber: In der Pfalz gibt es die Tendenz, Merlot und Cabernet Sauvignon anzubauen. Aber hier in Perl ist das Gott sei Dank erstmal noch nicht der Fall. Wir sind froh, dass wir jedes Jahr eine anständige Weinernte haben. Aber langfristig, ich schätze in 30 Jahren, wird man auch hier darüber nachdenken müssen.

Bringen die wärmeren Temperaturen Schädlinge aus südlicheren Gefilden?

Herber: Bisher haben wir damit keine Probleme, wir müssen lediglich mit chemischen Spritzungen gegen Pilzkrankheiten vorgehen. Das ist aber seit 100 Jahren der Fall. Die Winden-Glasflügelzikade aus dem Mittelmeerraum etwa kommt hier nicht vor.

Wie wirkt sich der Klimawandel eigentlich auf die Eiswein-Produktion aus?

Herber: Auf dem Weingut Herber konnten wir in den letzten beiden Jahren Eiswein ernten. Allerdings hat es von 2005 bis 2007 nicht geklappt. Ich denke, dass das in Zukunft häufiger vorkommen wird. Aber die Eisweinherstellung erfolgt bei uns nur in geringen Mengen. Im vergangenen Jahr haben wir 300 Flaschen Eiswein abgefüllt. Insgesamt haben wir über 50 000 Liter Rot- und Weißwein gekeltert. "Wir erreichen jedes Jahr Vollreife und sind sehr glücklich darüber."

Winzer Steffen Christmann

Meinung

Abwarten und Wein trinken

Von SZ-Redakteur

Gerhard Franz

Irgendwie ist es ja ulkig. Das Scheitern der Klimakonferenz von Kopenhagen liegt gerade mal neun Monate zurück - und schon werden uns die Vorteile des Klimawandels, hier am Beispiel des Weinbaus, vor Augen geführt.

Der Autor dieser Zeilen erinnert sich, wie er vor rund 20 Jahren die positive Haltung eines in jener Zeit noch sowjetischen Politikers kritisch ins Visier nahm, der damals die Auffassung vertreten hatte, der aufziehende Klimawandel hätte für Osteuropa und Sibirien nur positive Auswirkungen.

Jetzt stoßen also auch die deutschen Winzer, deren Reben seit einem Jahrzehnt immer wieder ins Stadium der Vollreife gelangen, ins gleiche Horn. Für sie heißt es: Klimawandel, na prima! Aber selbst der, der die Zuversicht der Winzer zum Klimawandel nicht teilt, wird sagen müssen: Abwarten und Wein trinken.

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