Gespräche über ein Ex-Hirngespinst

Anton Hofreiter muss noch hineinwachsen in seine neue Rolle als Fraktionschef. „Dienstwagen habe ich keinen, ich glaub's zumindest“, sagt der grüne Verkehrsexperte, bis ihm zugeraunt wird, dass sich das nun ändert.

"Ok, ich krieg einen." Die Grünen sind dabei, sich neu zu sortieren - an ihrer Regierungsfähigkeit wollen sie vor der schwarz-grünen Sondierung aber keinen Zweifel aufkommen lassen. Mit fast jedem Satz, den Hofreiter und seine Co-Vorsitzende Katrin Göring-Eckardt über das Gespräch mit der Union sagen, machen sie jedoch deutlich, dass sie nicht recht an eine Überraschung glauben.

Wollen die Grünen mit Angela Merkel regieren? "Ich kann Ihre Frage nach dem Wollen nicht beantworten, weil ich nicht weiß, was uns CDU/CSU vorschlagen wird", meint Göring-Eckardt. Hofreiter weist darauf hin, dass ja wohl vor allem die CSU nicht recht mag. Ein bisschen länger als beim letzten schwarz-grünen Flirt im Bund könnte es diesmal gehen. Die Sondierung 2005 dauerte eineinhalb Stunden. "Die Tür ist nicht zu", sagte Merkel danach zwar. Doch die harten Worte der Grünen machten klar, dass ein Scheitern wohl von vornherein geplant war. Was folgte, ist bekannt: Schwarz-Rot. Diesmal will die Union einen Fuß in die Tür zu Schwarz-Grün setzen, doch der Spalt erscheint sehr klein. Als wahrscheinlich gilt, dass die Bundeskanzlerin der SPD nächste Woche Koalitionsverhandlungen anbieten wird. Euro-Rettung, Energiewende, Mütterrente - vor allem hier will Merkel nicht um eigene Mehrheiten bangen müssen. Das musste sie schon in der schwarz-gelben Zeit. Mit den Grünen stellt sie sich das noch schwieriger vor. Und es ist erst drei Jahre her, dass sie die deutsche Bevölkerung als noch nicht bereit für Schwarz-Grün bezeichnete. Von einem Hirngespinst sprach sie damals.

Was bieten die Grünen an? "Ich finde, es ist ein sehr gutes Angebot, über eine andere Klimaschutzpolitik zu reden", meint Göring-Eckardt. Und auch eine offenere Gesellschaft sei etwas, was das Land, was auch die Union nach vorne bringen könne. "Da geht es um die Eröffnung neuer Möglichkeiten." Doch CSU-Chef Horst Seehofer sagt in diesen Tagen offen in die Kameras, dass seine Priorität klar sei: Schwarz-Rot. Er sieht sein politisches Gewicht seit der Bayernwahl noch größer. Als Einziger bestätigt er ein geplantes Treffen von ihm mit Merkel und SPD-Chef Sigmar Gabriel am Freitag - ein Seitenhieb gegen die Grünen. Die geben sich selbstbewusst. "Jeder kann sich treffen, mit wem er will", meint die scheidende Parteichefin Claudia Roth.

Manche Realos bei den Grünen wollen Schwarz-Grün ausprobieren - auch viele jüngere CDU-Abgeordnete. Die SPD sei schwerfälliger als die Grünen, meinen sie. Die Union müsse sich nach dem Wegfall der FDP dringend eine zusätzliche Koalitionsoption eröffnen. Schwarz-Grün wäre mehr Aufbruch, größere Modernität, heißt es. Und auch bei den Grünen stehen die Zeichen nach dem vermurksten Rot-Grün-Wahlkampf auf Öffnung - aber eigentlich eben erst für die Zukunft.

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