Gerettet, aber nicht gewollt

Maiduguri · Tausende Frauen und Mädchen konnten in den vergangenen Monaten aus der Gefangenschaft der Terrorgruppe Boko Haram in Nigeria fliehen. Willkommen sind sie zuhause nicht – im Gegenteil.

 Amina Mahmoud (14) entkam der Terrorgruppe Boko Haram. Foto: dpa

Amina Mahmoud (14) entkam der Terrorgruppe Boko Haram. Foto: dpa

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Halima Abdullahi war 14, als sie von Kämpfern der islamistischen Terrorgruppe Boko Haram entführt wurde. 18 Monate lang schlugen und vergewaltigten die Männer sie, schließlich zwangen sie das ausgehungerte Mädchen zur Heirat. Irgendwann wurde Halima schwanger. Als die Extremisten ihr sagten, dass sie für ein Selbstmordattentat vorgesehen sei, fasste sie all ihren Mut zusammen und rannte davon. Zuflucht fand sie in einem Flüchtlingslager in der Stadt Maiduguri . In dem Camp im Nordosten Nigerias ist Halima zwar vor Gräueltaten geschützt - aber zutiefst unglücklich. "Die Leute meiden mich", sagt die heute 16-Jährige. Ihre Familie habe sie verstoßen. "Seit ich mit einem Boko-Haram-Kämpfer verheiratet war, wollen sie nichts mehr mit mir zu tun haben." Mädchen , die verschleppt wurden, gelten als radikalisiert.

Das Misstrauen sitzt tief: In Nigeria, aber auch in Kamerun, Tschad und Niger, werden Frauen und Mädchen häufig als Attentäterinnen eingesetzt - weil sie unschuldig erscheinen und den Sprengstoff unter ihren weiten Gewändern verstecken können. Von einer feindseligen Stimmung berichtet auch Amina Mahmoud. "Wenn wir Wasser holen gehen, beschimpfen sie uns oder versperren uns den Weg", erzählt die 14-Jährige. Sie wird zusätzlich geächtet, weil sie von einem Terroristen schwanger ist. Nach UN-Angaben werden Kinder, die bei einer Vergewaltigung durch einen der Rebellen gezeugt wurden, als "Boko-Haram-Blut" oder ("Seuche") bezeichnet. Das zeigt, wie groß die Angst davor ist, dass der Kontakt mit Terroristen ansteckend sein könnte.

Halima schaut mit Abscheu auf ihren wachsenden Bauch. "Wenn ich es abtreiben könnte, würde ich es tun", sagt sie. Die Wahl hat die 14-Jährige aber nicht. In Nigeria sind Abtreibungen verboten - es sei denn, das Leben der Mutter ist in Gefahr. Ob das Kind die Folge einer Vergewaltigung ist, spielt keine Rolle. In Nigeria gibt es nach WHO-Angaben rund 2,2 Millionen Binnenflüchtlinge aufgrund von Boko Haram . Fast die Hälfte ist in Maiduguri untergebracht, bei Gastfamilien oder in den hochgesicherten Vertriebenenlagern. Doch die Sicherheitskräfte sind nicht unbedingt auf der Seite der Opfer. Für Danladi Yahaya, einen Wachmann, stellen ehemalige Boko-Haram-Gefangene ein Sicherheitsrisiko dar. "Die Kinder arbeiten als Spione", sagt er. "Sie halten nach Anschlagszielen Ausschau und liefern den Kämpfern wichtige Informationen."

Die Situation der Boko-Haram-Opfer wird in Nigeria nicht ignoriert: Die Regierung hat ein Programm zur Deradikalisierung aufgelegt, das Gespräche, Beratung und Stressbewältigung vorsieht. Eine Reihe von Hilfsorganisationen arbeitet mit Gemeinden und Geistlichen zusammen, um den Mythos über die ehemaligen Gefangenen zu zerstreuen.

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