Genug gekämpft?

Saarbrücken · Mehr Privatleben: Elke Ferner hat im April ihren Rückzug aus der hauptamtlichen Politik angekündigt. Die 58-jährige Sozialdemokratin aus Saarbrücken hat eine beachtliche bundespolitische Karriere hingelegt.

 Noch sitzt Elke Ferner häufiger auf der Abgeordnetenbank als auf der Bank im Grünen. Das will sie bald ändern. Foto: Oliver Dietze

Noch sitzt Elke Ferner häufiger auf der Abgeordnetenbank als auf der Bank im Grünen. Das will sie bald ändern. Foto: Oliver Dietze

Foto: Oliver Dietze

Wer mit Elke Ferner dieser Tage in Saarbrücken umherschlendert, kommt allenfalls schleppend voran. Alle paar Meter wird sie angesprochen, vor allem von Frauen . Und immer wieder dieselbe Frage, ob es denn wirklich wahr sei, dass sie die Berufspolitik an den Nagel hängen wolle. Mitte April ließ die Genossin mit dem kurzen roten Schopf wissen, dass sie 2017 nicht mehr für den Bundestag kandidieren werde. "Was für ein Schock", bekennt eine offenkundige Anhängerin, die ihren Weg kreuzt. Wie oft sie auch immer Erklärungen abgeben muss - Ferner tut es beharrlich mit Lächeln und Langmut. Es ist jene freundliche Verbindlichkeit und aufrichtige Zugewandtheit, mit der sie Menschen anzieht. Und dennoch mischt sich in diese Offenheit auch eine Spur Distanz - wie eine Art unsichtbarer Paravent, hinter den sie sich zurückzuziehen scheint und der sie gelegentlich auch etwas undurchdringlich wirken lässt.

Kann es in der Tat sein, dass eine Vollblutpolitikerin wie sie ihren Rückzug so schlicht mit dem Wunsch nach mehr Privatleben begründet? Hat nicht auch Oskar Lafontaine verschiedentlich aus privaten Motiven heraus seinen Abschied von der politischen Bühne verkündet und konnte dann doch nicht von ihr lassen? Politik kann süchtig machen, nicht jeder schafft den Absprung im ersten Anlauf. In Ferner indes scheint der Gedanke allmählich gereift - und offenbar schon ausgegoren. "Nächstes Jahr habe ich 40 Berufsjahre hinter mir", sagt Ferner. Ihre verschiedenen (bundes-)politischen Funktionen bescheren ihr häufig einen 14-Stunden-Tag und eine Sieben-Tage-Woche. Noch aber ist an Ruhestand kaum zu denken, im kommenden Jahr müssen zwei Büros in Berlin aufgelöst werden, die Mandatsabwicklung kann frühestens nach der Bundestagswahl im Herbst 2017 beginnen. Vielleicht wird sich die 58-Jährige dann Anfang 2018 weitgehend aus der hauptamtlichen Politik zurückgezogen haben. Aber: "Man wird ja dadurch nicht automatisch ein unpolitischer Mensch", ist sich Ferner bewusst. Auf das "Warum aufhören?" antwortet sie nüchtern: "Wer weiß, wie viele gesunde Jahre man noch vor sich hat?" Mit ihrem Mann, der als Fachkraft für Arbeitssicherheit im Regionalverband Saarbrücken arbeitet und bald in Altersteilzeit ist, plant sie ausgiebigere Unternehmungen als bisher: mehr Reisen, mehr Theaterbesuche. Nichts völlig Außergewöhnliches also. Und dennoch ein großer Luxus, weil sich, wie sie sagt, über viele Jahre kaum Zeit dafür fand.

Dass Ferner, eine der erfolgreichsten saarländischen Politikerinnen, so ganz und gar unprätentiös ist, liegt vielleicht auch daran, dass sie in eher bescheidenen Verhältnissen in Burbach aufgewachsen ist. "Zu meiner Zeit war es noch nicht üblich, dass Arbeiterkinder aufs Gymnasium gegangen sind", erzählt Ferner. Auch ihr Vater, ein Hüttenarbeiter, zeigte zunächst wenig Sympathie für die Ermutigungen einer Lehrerin, die Tochter Abitur machen zu lassen: "Das Mäde heirat' sowieso", war er überzeugt. "Das Mäde" machte dann allerdings doch die Hochschulreife, 1977 am Gymnasium am Rotenbühl in Saarbrücken . Und schloss danach eine Ausbildung zur EDV-Kauffrau ab, um zunächst als Programmiererin bei der Asko Deutsche Kaufhaus AG und dann ab 1984 bei den Stadtwerken in Saarbrücken tätig zu sein.

Politisch "infiziert" war Ferner schon im Alter zwischen 14 und 16 Jahren - auch durch die Jugendarbeit in der evangelischen Kirche. Bis sie endgültig beschloss, in die SPD einzutreten, sollten aber noch einige Jahre ins Land gehen. "Als Kohl zum Bundeskanzler gewählt wurde, dachte ich, jetzt muss es sein", erinnert sie sich. Zwei Frauen brachten ihr das Parteibuch vorbei - was vermutlich auch dazu beitrug, dass sich Ferner gleich ab 1983 in der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen (ASF) engagierte. Der ASF blieb sie ihre ganze Politikerkarriere hindurch treu und leitet sie nunmehr schon seit mehr als einem Jahrzehnt als Bundesvorsitzende. "Diese Frauen waren damals kämpferisch drauf", erinnert sich Ferner, "das war wirklich kein Kaffeeklatsch."

Wer Ferners politische Biografie nachzeichnen will, kann ob der Datenflut schnell in Verwirrung geraten: Eine üppige Laufbahn war das allemal - reich an Stationen und Funktionen. Nach dem Einstieg 1984 im Bezirksrat Saarbrücken Mitte ging es für sie insbesondere auch bundespolitisch schnell voran. 1990 bis 1998 erstmals Mitglied des Bundestages und 2002 erneut. Dabei saß sie keineswegs nur auf der Abgeordnentenbank: 1994 startete sie als verkehrspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion . 1998 wurde sie Staatssekretärin im Bundesministerium für Verkehr, Bau und Wohnungswesen, 2013 parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Familie, Gesundheit und Soziales. Dessen Ressortchefin Manuela Schwesig vertritt die einstige Partei- und Fraktionsvize inzwischen häufig in Sitzungen.

Ferner saß aber auch am Verhandlungstisch bei den Koalitionsgesprächen 1998, 2005 und 2013 - und fungierte nicht zuletzt als wichtige Strippenzieherin bei der Gesundheitsreform.

Trotz allem bleibt ihr die Frauen- und Gleichstellungs-Politik ein Herzensanliegen, nicht zuletzt in ihrer eigenen Partei, die, wie Ferner kritisch anmerkt, "immer mehr als Männerpartei rüberkommt". Immerhin verbucht sie es als Erfolg, "dass wir das Reißverschluss-Prinzip für Wahllisten durchsetzen konnten", wobei auf einen Mann eine Frau folgen muss und umgekehrt. Für den Bundes-Partei- und -Fraktionsvorsitz gilt das freilich nicht - dort scheinen die männlichen Genossen den Chefsessel fürderhin fest in der Hand zu haben. Das wird Ferner vermutlich nicht mehr wenden können. Vielleicht arrangiert sie sich deshalb mit dem oft gescholtenen Sigmar Gabriel , für den sie milde Worte findet: "Er ist besser als sein Ruf. Ich kann mich nicht wirklich beklagen."

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