"Gelinde gesagt eine Katastrophe"

Saarbrücken. Sabine Schmitt, die Leiterin der Verwaltungsstelle Zivildienst beim Paritätischen Wohlfahrtsverband Rheinland-Pfalz/Saarland, redet nicht lange um den heißen Brei herum: "Das ist gelinde gesagt eine Katastrophe." Rund 250 "Zivis" sind allein im Saarland bei den Mitgliedsorganisationen des Paritätischen aktiv

Saarbrücken. Sabine Schmitt, die Leiterin der Verwaltungsstelle Zivildienst beim Paritätischen Wohlfahrtsverband Rheinland-Pfalz/Saarland, redet nicht lange um den heißen Brei herum: "Das ist gelinde gesagt eine Katastrophe." Rund 250 "Zivis" sind allein im Saarland bei den Mitgliedsorganisationen des Paritätischen aktiv. Sabine Schmitt ist mit der Arbeit der jungen Männer sehr zufrieden: "Die überwiegende Zahl leistet phantastische Arbeit, gerade wenn man bedenkt, mit welch schwierigen Zielgruppen wie Schwerstbehinderten sie es oft zu tun haben." Und auch für die jungen Menschen selbst sei die Zeit prägend, glaubt Schmitt: "Sie erweitern ihren Horizont, lernen fürs Leben. Das sind unbezahlbare Erfahrungen."Was Schmitt als "Katastrophe" bezeichnet, sind Pläne der schwarz-gelben Bundesregierung, den Wehrdienst auf sechs Monate zu verkürzen. Aus Gründen der "Wehrgerechtigkeit" ginge damit auch eine Verkürzung des Zivildienstes um weitere drei Monate einher. Erst seit einer Gesetzesänderung 2004 ist die Dauer von Zivildienst und Grundwehrdienst überhaupt gleich; zuvor mussten Zivis immer länger Dienst tun als Soldaten, einst sogar 20 Monate lang.Mit den permanten Dienstzeit-Verkürzungen der vergangenen Jahre sei man immer irgendwie zurechtgekommen, sagt Schmitt und das sagen auch andere Vertreter von sozialen Einrichtungen im Land. Sollten die Pläne jetzt aber umgesetzt werden, scheint eine neue Stufe erreicht. "Das geht eigentlich nicht mehr", sagt Schmitt. Gerade dort, wo es die jungen Männer mit alten oder behinderten Menschen zu tun haben, müsse Zeit sein, um Beziehungen aufzubauen, um Vertrauen zu gewinnen. "Der Wahnsinn" wäre es, wenn sich ein Mehrfachbehinderter, der tägliche Betreuung braucht, "alle paar Monate an jemand Neues gewöhnen muss", sagt Schmitt: "Das wird die Lebensqualität dieser Menschen komplett einschränken." Karl Fischer von der Arbeiterwohlfahrt sieht das genauso: "Zusätzliche Leistungen, die wir jetzt noch anbieten können, müssten wegfallen. Die Betreuung wird insgesamt schlechter. Davon muss man einfach ausgehen." Etwa 200 Zivis arbeiten derzeit für die Awo, Fischer nennt sie "eine ganz große Hilfe". Sollte ein Drittel wegfallen, könnte manches mit jungen Menschen ausgeglichen werden, die ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) ableisten: "Aber diese Möglichkeit ist sicher nicht unendlich." Auch andere soziale Träger müssen in Zukunft wohl noch stärker auf FSJ-ler setzen, nur könnte das erhebliche zusätzliche Kosten bedeuten, wie allerorten angemahnt wird. Besonders problematisch wäre eine Verkürzung des Zivildienstes für die Rettungsdienste, wo die jungen Männer zunächst eine dreimonatige Ausbildung machen, um dann später im Krankenwagen das Richtige tun zu können. Das Deutsche Rote Kreuz oder der Arbeiter-Samariter-Bund denken daher ernsthaft darüber nach, ob sie Zivis weiter einsetzen können. Mit enormen Folgen, erklärt ASB-Landeschef Guido Jost: "Viele Ehrenamtler sind über den Zivildienst zu uns gestoßen. Wenn es keine Zivis mehr bei uns geben sollte, werden wir Probleme bekommen."

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