Geld-Therapie für kranke Klinik-Finanzen

Früher hatten wir Freiheitsberaubung, heute Körperverletzung.“ So drastisch beschreibt jemand aus der Ministerrunde von Bund und Ländern am Mittwoch die Wirkung politischer Vorgaben auf Patienten in deutschen Kliniken.

Der Kliniksektor leidet an vielen Krankheiten - nun wollen Bund und Länder ein ebenso großes wie schwierig zu schnürendes Reformpaket in Angriff nehmen. Im Mai starten die offiziellen Verhandlungen.

Noch 1991 lagen Patienten im Schnitt zwei Wochen im Krankenhaus. Heute sind es rund acht Tage, bis sie entlassen werden. Kritiker sagen: Ausgeheilt sind viele dann nicht - und Patienten werden auch nicht ausreichend vor Komplikationen und Problemen geschützt. Nun will die Politik handeln und in erster Linie beim Geld ansetzen - Anreize für immer mehr Behandlungen und Operationen sollen gesenkt, Häuser mit guten Resultaten gestärkt werden. Dass die Patienten heute kürzer im Krankenhaus sind, geht darauf zurück, dass die Kliniken seit zehn Jahren mit Pauschalen je Behandlung bezahlt werden - viele Fälle steigern den Erlös, ein langer Aufenthalt im Krankenhaus senkt ihn. Experten halten es für keinen Zufall, dass sich die Zahl der Wirbelsäulen-Operationen innerhalb von rund fünf Jahren verdoppelt hat. Es wurden auch ein Viertel mehr Defibrillatoren zur Herzunterstützung eingesetzt.

Dass der zentrale Hebel bei der Therapie des stationären Sektors das Geld sein soll, erhöht das Risiko des Scheiterns. Streit ist programmiert. Da sind die Klinikbetreiber: Sie klagen seit Jahren, die Länder zahlten ihnen über drei Milliarden Euro pro Jahr zu wenig für Gebäude und Geräte. Rund die Hälfte der Kliniken schreibt rote Zahlen - rund 400 der gut 2000 Häuser rutschten innerhalb eines Jahres ins Minus. Der Bund müsse sich also finanziell beteiligen.

Mehr Bundesmittel also? Nach dem gestrigen Bund-Länder-Treffen hält sich Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) dazu ziemlich bedeckt. Die Unterstützung der Krankenkassen werde aber in erheblichem Umfang wachsen, sagt er.

Der Kassenverband klagt: "Während die Beitragszahler Jahr für Jahr zusätzliche Milliarden für die Krankenhäuser aufbringen, leisten die Länder bei den Investitionsfinanzierungen nicht genug." Die Länder selbst bringen indes eine ältere Idee neu ins Spiel - einen vorwiegend aus Beiträgen gespeisten 500-Millionen-Euro-Fonds. Notleidende Kliniken sollen mit dem frischem Geld in Einrichtungen für die wachsende Schar der Senioren im Land und für Reha umgewandelt werden können. Bund und Länder eint das Ziel einer stärkeren Fixierung auf den Behandlungserfolg der Kliniken.

Heute weiß man etwa nicht, in welchem Haus es besonders oft vorkommt, dass ein paar Monate nach der Entlassung ein Implantat schon wieder ersetzt werden muss. Das soll sich ändern. Das Bundeskabinett hat schon der Gründung eines neuen Instituts zur Messung der Klinikqualität grünes Licht gegeben. Pro Jahr soll es 14 Millionen Euro kosten. Fachleute sollen große Mengen an Daten der Patienten auswerten, die bei den Kassen zur Abrechnung und Bezahlung von Kliniken und Ärzten anfallen - daran soll künftig erkennbar sein, welche Abteilungen Behandlungen gut oder schlecht machen.

Wie teuer wird die geplante Klinik-Therapie die Beitragszahler zu stehen kommen? Um rund 2,6 Milliarden auf 66,8 Milliarden Euro steigen laut gesetzlichen Kassen dieses Jahr deren Ausgaben für die Kliniken. Infolge der Reform wird es wohl mehr werden - wie viel, ist offen.

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