Gegenwind für Juncker auf dem Weg zur EU-Spitze

Brüssel · Nach seiner Abwahl als Luxemburger Regierungschef strebt Jean-Claude Juncker nach dem Amt des EU-Kommissionspräsidenten. Das ruft seine Gegner auf den Plan, unter anderem den niederländischen Finanzminister Jeroen Dijsselbloem.

Jean-Claude Juncker ist ein Mann mit Ecken und Kanten. Der jüngst abgelöste Luxemburger Langzeit-Premier teilt gerne aus - und ist immer für ein knackiges Zitat gut. Das machte ihn zum Liebling der Medien. Unter seinen Kollegen bescherte es ihm politische Feinde. Kein Wunder, dass die gerade jetzt aus dem Busch kommen, da der 59-Jährige sich für die Nachfolge des nach der Europawahl scheidenden Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso in Stellung bringt. Juncker sei "ein starker Raucher und Trinker", plauderte Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem jetzt ungeniert in einer Fernseh-Talkshow aus. Eigentlich herrsche bei Sitzungen der Euro-Finanzminister zwar ein Verbot: "Nur hat der ehemalige Vorsitzende sich nicht daran gehalten." Auf die Frage, ob er mal jemanden in der Eurogruppe betrunken erlebt habe, sagte der Agrarökonom, er habe "nicht bemerkt, dass jemand in seinen Funktionen behindert war". Ein klares Nein klingt anders.

Dijsselbloem übernahm vom Luxemburger vor einem Jahr den Vorsitz der Eurogruppe. Dass ihm Juncker bei der Zypern-Rettung ins Handwerk pfuschte, hat der niederländische Finanzminister ihm nicht vergessen.

Juncker musste wegen einer Affäre um Missstände beim Luxemburger Geheimdienst bei vorgezogenen Wahlen im Herbst 2013 Verluste einstecken. Der Aufsteiger Xavier Bettel drängte ihn aus dem Amt. Dass Juncker die Funktion des Oppositionsführers schnell zu langweilig werden würde, war absehbar. Deshalb warf "Mister Euro" nun in mehreren Interviews seinen Hut für die Spitzenkandidatur der Europäischen Konservativen (EVP) in den Ring. Erstmals wollen alle Parteien bei den Europawahlen Ende Mai mit europäischen Spitzenkandidaten an den Start gehen. Die stärkste Kraft soll dann den neuen Chef der EU-Exekutive stellen. Bei den Sozialisten ist der jetzige EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) gesetzt. Die Konservativen wollen Anfang März entscheiden. "Ich wäre grundsätzlich dazu bereit, wenn ein Programm und andere Dinge stimmen", bekräftigte Juncker gestern in einem Interview mit einem deutschen Radiosender. Schulz nannte den Luxemburger jüngst eine "hoch respektierte Persönlichkeit". "Wer auch immer von uns gewinnt - er wäre sicher ein würdiger Anführer der Europäischen Union."

Weniger als ein Drittel der EU-Bürger hat der offiziellen Eurobarometer-Umfrage zufolge derzeit noch Vertrauen in die EU-Institutionen. Die Beteiligung an Europawahlen sinkt stetig. Juncker warnte bereits vor einem Durchmarsch der Europa-Gegner beim Urnengang und einer Unterhöhlung der Legitimität des Europaparlaments.

Der erfahrene Polit-Fuchs ist ein leidenschaftlicher Verfechter der europäischen Einigung. Er kann die EU plakativ erklären, spricht zudem Deutsch, könnte als Rivale von Schulz zu einem spannenden Duell bei der Europawahl beitragen.

Allerdings muss er noch die Kanzlerin überzeugen. Angela Merkel geht die "Besserwisserei" des Luxemburgers, der die Deutschen in der Krise deutlich kritisierte, dem Vernehmen nach auf die Nerven. Außerdem hätte sie wohl lieber einen Kandidaten, der sich besser steuern lässt als Juncker - etwa Polens Regierungschef Donald Tusk oder der irische Ministerpräsident Enda Kenny. So könnte "Mister Euro" seine unbequeme Art am Ende zum Verhängnis werden.

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