Gegen Podolski hat Merkel keine Chance

Berlin/Saarbrücken · Für Fußballer sind Soziale Netzwerke perfekte Werbeflächen. Normalbürgern bieten sie Gelegenheit, Nachrichten mit Freunden auszutauschen. Und Politiker? Die mühen sich, im Internet Aufmerksamkeit zu bekommen.

Wenn Lukas Podolski ein verwackeltes "Selfie" von sich und Bastian Schweinsteiger nach dem WM-Finale auf Twitter stellt, retweeten das 93 000 Nutzer. Wenn Angela Merkels Sprecher von der Wiederwahl der Kanzlerin berichtet, machen das knapp 60. Sportler und andere Prominente haben soziale Netzwerke längst als professionell angelegte Werbefläche erkannt - Politiker sind auf Twitter und Facebook nach wie vor seltener sichtbar.

Bundestagsabgeordnete und deutsche Europaparlamentarier nutzen fast flächendeckend (95 Prozent) mindestens ein soziales Netzwerk. Das hat der Politikberater und Blogger Martin Fuchs für seine Monitoringplattform Pluragraph.de ausgerechnet. 91 Prozent der Abgeordneten im Bundestag sind demnach auf Facebook , 62 Prozent haben dort eine eigene Seite. Etwa die Hälfte (51 Prozent) von ihnen sind auf Twitter aktiv, 42 Prozent nutzen Youtube.

Diese Aktivitäten verfolgen deutlich weniger Menschen als bei anderen öffentlichen Personen. Während etwa Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU ) - einst als Umweltminister ein Viel-Twitterer - etwa 65 000 Follower hat, erreicht Fußball-Weltmeister Podolski über zwei Millionen. Merkels Regierungssprecher Steffen Seibert - der aus politischer Sicht wohl wichtigste Twitter-Account in der Bundesrepublik - kommt auf gut ein Achtel der Podolski-Fans.

Laut Fuchs gibt es für dieses Ungleichgewicht zwischen Politik und Fußball eine simple Erklärung: Für Fußball interessieren sich einfach mehr Menschen. "Wie viele Leute interessieren sich denn außerhalb von Wahlen für Politik? Die CDU hat 450 000 Mitglieder - die über 60 000 Follower von Peter Altmaier sind dann schon sehr beeindruckend." Und die Kanzlerin? Der folgen auf Facebook anderthalb Mal so viele Leute wie die CDU Mitglieder hat. "Das ist bemerkenswert", findet Fuchs.

Erklärung Nummer zwei: Die Bekanntheit von Politikern beschränkt sich meist auf Landesgrenzen. "Mesut Özil und Lukas Podolski sind internationale Marken", sagt Fuchs, "Volker Beck und Peter Altmaier dagegen eher national bekannt."

Mangelndes Interesse und internationale Unbekanntheit sind aber nur zwei Gründe, warum Politiker online weniger erfolgreich sind. Schuld sind sie auch teilweise selbst. "70 Prozent nutzen das falsch", sagt Fuchs. Viele seien schon zufrieden, wenn sie Twitter technisch begriffen hätten, das reicht aber nicht. "Es geht darum, online zuzuhören, das Ohr an Bürgern zu haben, sich mit fremden Parteimitgliedern auseinanderzusetzen. Dieses Verständnis haben nur die allerallerwenigsten Politiker", sagt Fuchs.

In jeder Partei gibt es Politiker, die online etwas drauf haben, sagt Experte Fuchs. CDU-Generalsekretär Peter Tauber mache ebenso gute Social-Media-Arbeit wie die Parteikollegen Altmaier, die rheinland-pfälzische Fraktionschefin Julia Klöckner und Saarlands Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer.

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