Gefährliche Seilschaften

München · Die Familienfürsorge von CSU-Politikern hat der Partei Negativschlagzeilen beschert. Doch ist keineswegs sicher, dass dies der CSU bei den bevorstehenden Wahlen wirklich schadet. Auch weil andere Parteien ebenfalls auf Familie in ihren Büros setzten.

Die Leserbriefspalten bayerischer Zeitungen sind in diesen Tagen gefüllt mit Zuschriften wütender Bürger. Der Stein des Anstoßes: Die praktische Familienfürsorge, die 17 CSU-Landtagsabgeordnete seit dem Jahr 2000 betrieben. Sie beschäftigten ihre Ehefrauen und weitere Angehörige als Hilfen im heimischen Stimmkreisbüro - bezahlt mit Steuergeld. Vielen Bürgern kommt das vor wie ein klassischer Fall von Abzocke durch Politiker.

Darüber hinaus erscheint die Abgeordnetenaffäre wie ein Rückfall in die Zeiten alten CSU-Filzes, die Parteichef Horst Seehofer ein für alle Mal hinter sich lassen will. Er sprach daher mehrfach von einer "ernsten Situation", andere CSU-Politiker fürchten schweren Schaden.

Doch heißt das nach den Erfahrungen der Vergangenheit nicht unbedingt, dass die Beschäftigung von Politikergattinnen als Bürohilfen der CSU bei den bevorstehenden Wahlen im Land im September schadet. Gemessen an den vielen CSU-Millionenaffären der Ära Franz Josef Strauß ist der Fall eher kleinräumig. In der Langzeitbetrachtung haben aber auch große Skandale der CSU nicht längerfristig Schaden zugefügt.

Die Beschäftigung der Ehefrauen aber stand nach bisherigem Wissen sogar in Einklang mit dem Gesetz. Rechtliche Zweifel gibt es bisher hauptsächlich an den eigenwilligen Konstruktionen, mit denen der frühere Fraktionschef Georg Schmid und der ebenfalls zurückgetretene Haushaltsexperte Georg Winter ihre Angehörigen beschäftigten.

Das Problem der CSU besteht eher darin, dass das bayerische Abgeordnetengesetz nicht mehr mit der heutigen Mehrheitsmeinung der Bevölkerung übereinstimmt. "Ich bin mir völlig im Klaren, dass die Beschäftigung von Familienangehörigen nicht mehr in die Zeit passt", sagt Landtagspräsidentin Barbara Stamm. "Natürlich bedauere ich zutiefst, dass es so weit kommen musste."

Ein Lehrsatz Seehofers lautet, dass schwierige Situationen in der Politik erst durch Sekundärfehler zu Affären werden. Auf Druck der Opposition und auf Betreiben ihres Chefs hat die CSU daher rasante Reparaturmaßnahmen eingeleitet. Sowohl Schmid als auch Winter verloren ihre Führungspositionen. Die Transparenzregeln für Abgeordnete werden voraussichtlich schnell verschärft. "Wir sind keine Partei, die mit sich Schlitten fahren lässt", hieß es jetzt.

Hinzu kommt, dass die bayerische Opposition keineswegs unangreifbar dasteht. Bekannt war bisher schon, dass zwei Abgeordnete der Sozialdemokraten und der Chef der Freien Wähler, Hubert Aiwanger, Familienmitglieder beschäftigten. Und nun sind auch zwei Parlamentarier der Grünen in den Fokus geraten. Eine von ihnen ist die oberpfälzische Abgeordnete Maria Scharfenberg. Sie hatte von 1998 bis 2001 ihren erwachsenen Sohn und von 1999 bis 2006 ihre ebenfalls erwachsene Tochter jeweils geringfügig für 350 Euro monatlich beschäftigt.

Scharfenberg hat sich inzwischen "in aller Form" für ihren "politischen Fehler" entschuldigt. Nicht alles, was rechtlich in Ordnung ist, sei auch politisch korrekt, sagte die Politikerin, die vor kurzem als Kandidatin der Grünen für das Amt der Landrätin in Regensburg nominiert wurde.

Weniger reumütig zeigte sich ihr Parteikollege Thomas Gehring. Er hat seinen Bruder angestellt. "Der macht das gewerbemäßig, und wenn mein Bruder eine Bäckerei hat, dann würde ich bei meinem Bruder Semmeln kaufen und nicht beim Nachbarn", erklärte Gehring jüngst. Es darf freilich bezweifelt werde, ob empörte Bürger auch so feinsinnig unterscheiden werden.

Doch bedeutet das nicht, dass die CSU die Krise schon überwunden hätte. SPD und Grüne konzentrieren ihre Kritik nun auf die drei CSU-Kabinettsmitglieder, die ihre Frauen beschäftigten. Nicht zuletzt, weil Mitglieder der Regierung gemessen am Durchschnittsverdienst der Bürger Großverdiener sind. Und eine Aufbesserung des Familieneinkommens erscheint da besonders fragwürdig.

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Hintergrund In den Fokus der CSU-Affäre ist auch Vizegeneralsekretärin Dorothee Bär geraten. Sie hatte ihren Freund und heutigen Ehemann über 30 Monate im Bundestagsbüro angestellt. Sein Einkommen betrug monatlich etwa 1300 Euro. Das Arbeitsverhältnis wurde aber kurz vor der Heirat beendet. Laut Bundestagspräsident Norbert Lammert war die Anstellung daher formal korrekt. dpa

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