Bürgerkriegsland Neue Milliarden gegen die Not im Jemen

Sanaa · Um das Elend in dem Bürgerkriegsland zu bekämpfen, sagt die Uno wieder Geld zu. Auch Deutschland stockt die Hilfe auf.

           Die Vereinten Nationen nennen den Krieg im Jemen die schlimmste humanitäre Katastrophe der Welt. Nach Schätzungen der Organisation Save the Children sind zwischen 2015 und 2018 rund 85 000 Kinder unter fünf Jahren an Hunger oder vermeidbaren Krankheiten gestorben.

Die Vereinten Nationen nennen den Krieg im Jemen die schlimmste humanitäre Katastrophe der Welt. Nach Schätzungen der Organisation Save the Children sind zwischen 2015 und 2018 rund 85 000 Kinder unter fünf Jahren an Hunger oder vermeidbaren Krankheiten gestorben.

Foto: AFP/ESSA AHMED

In den Schulen im Jemen zeigt sich das Dilemma des Krieges. „Nichts ist hier mehr so wie vor dem Krieg“, erzählt Hajat Said. Als eine der wenigen Lehrerinnen im Land geht die 47-Jährige noch regelmäßig zum Unterricht. Etwa 75 Euro bekommt sie dafür im Monat. Nicht von der Regierung, die aus dem Exil regiert, und nicht von den Huthi-Rebellen, die die Hauptstadt Sanaa eingenommen haben. Sondern von einem deutsch-jemenitischen Hilfsverein, der in dem Lehrergehalt mehr sieht als nur Unterstützung zum Überleben – auch für die Kinder in dem von Not geprägten Land.

Die Situation im Jemen ist nach Angaben der Vereinten Nationen die schlimmste humanitäre Katastrophe der Welt. Nach Schätzungen des Kinderhilfswerks Unicef starben dort im vergangenen Jahr 52 000 Kinder unter fünf Jahren an Hunger oder vermeidbaren Krankheiten. „Kinder haben den Krieg nicht gestartet, aber sie zahlen den höchsten Preis“, sagte UN-Generalsekretär António Guterres in Genf.

Schon vor Kriegsbeginn im Jahr 2014 galt der Jemen als Armenhaus der Arabischen Halbinsel. Heute benötigen nach UN-Angaben mehr als 24 Millionen Menschen Hilfe oder Schutz, 80 Prozent der Bevölkerung. Im September 2014 hatten die vom Iran unterstützten Huthi-Milizen Sanaa und große Gebiete des Nord-Jemen eingenommen. Der Regierung zur Hilfe kam kurz darauf eine von Saudi-Arabien angeführte Militärkoalition. Sie bombardiert Stellungen der Huthi, trifft aber auch immer wieder Zivilisten, Schulen und Krankenhäuser.

„Mein Mann hat wegen des Krieges seinen Job verloren und ich habe kein Gehalt mehr bekommen. Wie soll man so leben?“, klagt Lehrerin Hajat Said. Vier Kinder hat die Familie zu ernähren. Und die Preise steigen, seit die saudische Koalition eine Blockade über den Flughafen Sanaa und die Häfen am Roten Meer verhängt hat. Auch Hilfsgüter gelangen so nicht ins Land.

Deshalb hilft der Verein aus Bayern, Hajati Karamati („Mein Leben, meine Würde“), in erster Linie den Lehrern. „Es geht einmal um die Lehrer, dass die wieder ihre Familien ernähren können“, sagt der Vorsitzende, Said al-Dailami. „Und es geht darum, dass die nächste Generation nicht verloren geht.“ Der Verein unterstützt inzwischen 72 Lehrer an zwei Schulen im Nord-Jemen.

Die Vereinten Nationen brauchen in diesem Jahr 4,2 Milliarden Dollar (3,7 Milliarden Euro) für den Jemen, so viel wie für kein anderes Land. „Zehn Millionen Menschen stehen kurz vor einer Hungersnot“, sagte Guterres gestern. Die Uno will Nahrungsmittel liefern, Trinkwasser aufbereiten, Krankenstationen und Schulen unterhalten und Unterkünfte für Vertriebene bauen. Rund 2,6 Milliarden Dollar (2,3 Milliarden Euro) kamen gestern bei der Geberkonferenz zusammen. Die EU versprach 161 Millionen Euro, Deutschland zusätzlich 100 Millionen Euro.

In den Straßen von Sanaa müssen viele Menschen inzwischen betteln. „Wenn wir hier kleine Arbeiten ausschreiben, etwa Lager aufräumen, bewerben sich 500 Menschen“, sagt der Chef des Rotkreuz-Büros in Sanaa, Franz Rauchenstein. „Unsere Mitarbeiter müssen mit ihrem Lohn von etwa 1500 Dollar 100 Verwandte mit ernähren.“

Auch wenn das Elend nicht durch eine Naturkatastrophe, sondern Machtkämpfe ausgelöst worden sei, appelliert Stephen Anderson, Chef des Welternährungsprogramms in Sanaa, an Spender: „Die Mutter mit dem schwer unterernährten Sohn im Krankenhaus, die hungernden Zivilisten, sie haben den Krieg nicht ausgelöst.“ Das Land im Elend versinken zu lassen, wäre ein Desaster für die gesamte Welt.

Natürlich müsse der Krieg beendet werden, sagte UN-Generalsekretär Guterres. Der Vereinbarung der Konfliktparteien auf eine Waffenruhe im Dezember in Stockholm müssten weitere Schritte folgen.

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