Gauck soll Präsident werden

Berlin/Saarbrücken. Der parteilose Theologe Joachim Gauck soll neuer Bundespräsident werden. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gab gestern Abend ihren Widerstand gegen den Favoriten von SPD und Grünen auf. Auch die FDP hatte überraschend den Ex-DDR-Bürgerrechtler unterstützt. Die Union lenkte ein, um einen drohenden Koalitionsbruch abzuwenden

Berlin/Saarbrücken. Der parteilose Theologe Joachim Gauck soll neuer Bundespräsident werden. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gab gestern Abend ihren Widerstand gegen den Favoriten von SPD und Grünen auf. Auch die FDP hatte überraschend den Ex-DDR-Bürgerrechtler unterstützt. Die Union lenkte ein, um einen drohenden Koalitionsbruch abzuwenden. Im Laufe des Tages hatte die Koalition am Rande eines Scheiterns gestanden. Merkel machte innerhalb der Unionsspitze deutlich, dass sie Gauck, der 2010 gegen den am Freitag zurückgetretenen Christian Wulff verloren hatte, nicht unterstützen wolle. Die FDP-Spitze um Philipp Rösler hielt aber an Gauck fest. Damit hätte die Union in der Bundesversammlung, die den Präsidenten wählt, keinen eigenen Kandidaten durchbringen können. Gauck ist nach mehreren Umfragen klarer Favorit der Bürger. Rund jeder Zweite hält ihn für geeignet.Merkel bezeichnete Gauck später auf einer Pressekonferenz als "wahren Demokratie-Lehrer", der nun wichtige Impulse für die Themen Globalisierung, Schuldenkrise und mehr Demokratie geben könne. SPD-Chef Sigmar Gabriel meinte: "Ende gut, alles gut." Gauck könne die Kluft zwischen Bürgern und politischer Klasse schließen. FDP-Chef Rösler betonte, Gauck könne verlorenes Vertrauen in das Bundespräsidentenamt zurückgeben. Grünen-Chefin Claudia Roth erklärte, der neue Präsident könne "der Demokratie wieder Glanz verleihen".

Die FDP hatte sich völlig überraschend einstimmig hinter Gauck gestellt und damit die Union düpiert. Der FDP-Vorstoß löste heftige Reaktionen im Unionslager aus. Die Lage war verfahren, weil die FDP zugleich auch die von der Union vorgeschlagenen Kompromisslösungen abgelehnt hatte: den ehemaligen EKD-Ratsvorsitzenden Wolfgang Huber sowie den früheren Saar-CDU-Chef und Ex-Bundesumweltminister Klaus Töpfer. Bei der ums Überleben kämpfenden FDP hieß es, nach zwei Jahren der Demütigung könne man nicht mehr alles von der Union schlucken, die in der Präsidentenfrage alle parteiübergreifenden Kompromisse blockiere. "Wir setzen auf volles Risiko", sagte ein FDP-Regierungsmitglied.

Der Kieler FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki hatte zuvor das Verhalten der Union als "wirklich peinlich" bezeichnet. CDU und CSU würden Gauck nur deswegen nicht unterstützen, weil dies einen "Gesichtsverlust" für Merkel bedeuten würde. Auch Saar-FDP-Chef Oliver Luksic hatte sich klar für Gauck ausgesprochen. Er sei eine beeindruckende Persönlichkeit, die für Glaubwürdigkeit und Integrität stehe, sagte Luksic der SZ.

Das Verhältnis der beiden Ostdeutschen Merkel und Gauck gilt als angespannt. Der Gründungschef der Stasiunterlagen-Behörde hatte 2010 gegen Wulff kandidiert und erst im dritten Wahlgang verloren. , A 4: Meinung dpa/red

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort