Ganz großes Kino

Bous · Bundesweit geht die Zahl der Kinos seit Jahren zurück, in Bous dagegen glaubt eine Familie felsenfest an die Zukunft des Sehnsuchtsorts. Über eine Million haben die Martins in ihr Thalia-Kino investiert. Jetzt ist alles fertig.

 Der Chef in seinem Reich: Peter Martin mit einer alten Filmrolle und einer digitalen Festplatte. Fotos: Reinhardt

Der Chef in seinem Reich: Peter Martin mit einer alten Filmrolle und einer digitalen Festplatte. Fotos: Reinhardt

Faszination Kino. Ort der Wünsche, Sehnsüchte, Projektionen. Wenn man es sich im Sessel bequem gemacht hat, das Licht langsam dunkler wird, es einen kurzen Moment ganz schwarz im Saal ist und dann plötzlich das erste Licht auf die große Leinwand fällt - das ist immer wieder ein besonderer Moment. Vorfreude, Spannung, Gänsehaut - das kribbelt.

"Die Fernseher können so groß werden, wie sie wollen, so groß wie unsere Leinwände werden sie niemals", sagt Peter Martin. "Dazu kommt das Erlebnis in der Gemeinschaft, die Emotionen, man lacht und man gruselt zusammen", schwärmt der Kinobetreiber aus Bous . "Oder wenn ein Zuschauer im Sitz vor dir plötzlich hochgeht, weil er erschrocken ist, das ist Kino. Unvergleichlich."

Peter Martin, 52, ist mit dem Kino groß geworden. Sein Großvater, der ebenfalls Peter Martin hieß, war 1924 mit dem Union-Theater in der Kirchstraße, heute die Gaststätte "Zum Fränzje", der erste Kinobetreiber in Bous . Am 27. Mai 1957 eröffnete dessen Sohn, Herbert Martin, zusammen mit seiner Frau Margot in der Saarbrücker Straße in der Nähe des Bahnhofs die Thalia Lichtspiele. "Das war damals ein Premierenhaus mit über 450 Plätzen", erzählt der heutige Kinobetreiber. Peter Martin war von kleinauf dabei, fuhr mit dem Vater nach Saarbrücken zu den Filmverleihern, um das Programm für die nächsten Monate klar zu machen. Und sonntags saß er im Kino, zusammen mit ein paar Freunden. "Der Papa ließ uns vorher in den Saal und als dann die Türen aufgingen und die Leute hereinströmten, es war fast immer rappelvoll, saßen wir schon auf den besten Plätzen." Die Augen von Peter Martin glänzen. "Meine Eltern haben immer an das Kino geglaubt, auch in schweren Zeiten, dafür bin ich ihnen bis heute dankbar", weiß er das Engagement der Eltern zu schätzen.

Er selbst hat zunächst Versicherungsfachwirt gelernt und dabei auch seine Frau Marion (45) kennengelernt. Sein Vater habe immer gesagt, "mach' Du Deins", habe ihn nie gedrängt, ins schwierige Kinogeschäft einzusteigen. Aber als dann zuerst die Mutter (2002) und dann der Vater (2005) starben, stand für Peter und Marion Martin schnell fest: Wir betreiben das Kino weiter. "Wir schmissen unsere Jobs hin und verschrieben uns ganz dem Kino, mit zugegeben etwas ungewissen Erfolgsaussichten", blickt Peter Martin zurück. "Einige Freunde hatten Bedenken, doch wir glaubten an die Zukunft des Kinos. Das tun wir heute noch."

Und wie. Nach etlichen Umbauten und Renovierungen wurde der Saal auf 141 bequeme Sessel reduziert. Das Thalia ist heute ein Service-Kino: Während der Vorstellung kann per Knopfdruck das Personal gerufen werden, um Getränke, Snacks oder Popcorn zu bestellen. Große Beinfreiheit und (durch das starke Gefälle im Saal) eine ungetrübte Sicht auf die fast elf Meter breite Leinwand sind hier selbstverständlich. 2011 folgte die Digitalisierung, "das hat wieder rund 100 000 Euro gekostet."

Doch das alles reichte den kinobegeisterten Martins nicht. Mit nur einem Saal ist man bei der Programmgestaltung sehr eingeschränkt. Und da die Bouser Kinobetreiber mehr wollen, haben sie sich jetzt einen Traum erfüllt. In nur neuneinhalb Monaten wurden zwei weitere Kinosäle mit 120 und 58 Sitzplätzen gebaut. Ein mutiges Unterfangen, denn bundesweit geht die Zahl der Kinosäle seit Jahren zurück, zwischen 2009 und 2013 von 4734 auf 4610. In einer Zeit also, in der Kinos eher geschlossen, denn neu gebaut werden (vor allem in ländlichen Gebieten), investierte Familie Martin 1,2 Millionen Euro.

Mutig auch, weil das Thalia Bous unweit der beiden größten Kino-Zentren des Saarlandes liegt, 20 Minuten vom Cinestar in Saarbrücken und 15 Minuten vom Capitol in Saarlouis entfernt. Doch die Martins, Eltern der ebenfalls kinobegeisterteten Söhne Lucas (12) und Jonas (9), haben einen Plan. "Jetzt können wir endlich spielen, was wir wollen", sagt Peter Martin. "Nun haben wir die Möglichkeit, ein Programm zu gestalten, wie wir es uns lange gewünscht haben", ergänzt seine Frau. Natürlich laufen im Thalia weiter große Hollywood-Produktionen und andere Mainstream-Filme, aber ausgeweitet wird das Angebot an anspruchsvoller Kinokost. "Jetzt können wir das Arthouse-Publikum noch viel besser bedienen", sagt Marion Martin. Und mehr Kinder- und Familienfilme zeigen.

"Die Leute wollen Qualität in allen Bereichen, das Preis-Leistungsverhältnis muss stimmen und der Service ist sehr wichtig", sagt der 52-Jährige. Hinzu kommt im Thalia die familiäre Atmosphäre, man spürt, dass das ganze Team mit Herzblut dabei ist. Zur Kino-Mannschaft gehören der fest angestellte Giacomo Federico, ein Azubi sowie rund zehn Teilzeitkräfte. "Die identifizieren sich mit unserem Kino, die Truppe hält zusammen, das macht einen Großteil unseres Erfolges aus", weiß Peter Martin. Besucher aus dem ganzen Saarland wissen das sympathische Gesamtpaket Thalia Lichtspiele zu schätzen, das bewog Familie Martin auch dazu, diese Investition zu stemmen. "Und natürlich machen wir das auch für unsere Kinder."

Wer das Kino mit den neuen Sälen kennenlernen möchte, hat dazu an diesem Sonntag Gelegenheit, von 10 bis 15 Uhr ist "Tag der offenen Tür". Dann kann man ein wenig von der besonderen Thalia-Atmosphäre mitbekommen, vom Kribbeln - und von der Faszination Kino.

 Kinoverrückte Familie: Marion und Peter Martin mit den Söhnen Jonas (oben) und Lucas vor ihrem Kino in Bous.

Kinoverrückte Familie: Marion und Peter Martin mit den Söhnen Jonas (oben) und Lucas vor ihrem Kino in Bous.

Zum Thema:

Auf einen BlickDas Thalia Kino in Bous (www.kino-bous.de ) verfügt über drei Säle mit 141, 120 und 58 Plätzen, alle mit moderner Digitaltechnik . Saal 1 und 2 sind für 3D-Filme ausgerüstet. In Saal 1 wurde eine große neue Bühne für Veranstaltungen wie Konzerte oder Lesungen gebaut. Neu ist auch ein Behinderten-WC. Hinzu kommt ein Gesellschaftsraum für bis zu 60 Personen. Im Saarland gab es 2013 laut Filmförderungsanstalt 15 Kinostandorte und 70 Säle, jetzt sind es 72. tr

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