Gadaffis Versteckspiel

Tripolis. Einen Großteil der libyschen Hauptstadt Tripolis kontrollieren die Rebellen inzwischen, das Wichtigste für einen endgültigen Sieg fehlt ihnen aber noch: die Ergreifung von Machthaber Muammar al-Gaddafi. Nach heftigen Kämpfen eroberten die Rebellen Gaddafis Residenz, hunderte Rebellen stürmten das Hauptquartier des Machthabers im Komplex Bab al-Asisija

 In Tripolis lieferten sich Aufständische und Gaddafi-Getreue gestern erbitterte Kämpfe um die befestigte Residenz des Diktators. Foto: dpa

In Tripolis lieferten sich Aufständische und Gaddafi-Getreue gestern erbitterte Kämpfe um die befestigte Residenz des Diktators. Foto: dpa

Tripolis. Einen Großteil der libyschen Hauptstadt Tripolis kontrollieren die Rebellen inzwischen, das Wichtigste für einen endgültigen Sieg fehlt ihnen aber noch: die Ergreifung von Machthaber Muammar al-Gaddafi. Nach heftigen Kämpfen eroberten die Rebellen Gaddafis Residenz, hunderte Rebellen stürmten das Hauptquartier des Machthabers im Komplex Bab al-Asisija. Dort vermuten die Aufständischen den Machthaber - ob er sich dort wirklich aufhielt, war auch nach der Erstürmung unklar.Seit Mai trat der Machthaber nicht mehr in der Öffentlichkeit auf, meldete sich zuletzt allenfalls in Audiobotschaften zu Wort. Spekulationen, dass sich Gaddafi in seine Heimatstadt Sirte oder gar ins Ausland abgesetzt haben könnte, haben Hochkonjunktur. Vieles sprach allerdings dafür, dass sich Gaddafi noch in Tripolis befindet. Die Rebellen hatten am Sonntag zwar weite Teile der Hauptstadt eingenommen, einige Viertel wurden aber weiter von Gaddafi-Getreuen gehalten. Der Chef des Nationalen Übergangsrats, Mustafa Abdel Dschalil, räumte ein, dass nicht die ganze Stadt in der Hand der Aufständischen sei. "Der wahre Moment des Sieges ist, wenn Gaddafi gefasst wird", sagte er.

Die US-Regierung erklärte, sie habe keine Anzeichen dafür, dass Gaddafi Tripolis verlassen habe. Einen weiteren Hinweis für Gaddafis Verbleib in der Hauptstadt lieferte sein gefangen geglaubter Sohn Saif al-Islam, der sich in der Nacht zum Dienstag überraschend vor ausländischen Journalisten auf dem Gelände der Residenz zeigte. Tripolis sei unter Kontrolle der Regierung, versicherte er. "Gaddafi und die ganze Familie sind in Tripolis."

Auch Gaddafi selbst erweckte in seinen letzten drei am Wochenende vom Staatsfernsehen ausgestrahlten Audiobotschaften den Eindruck, sich weiter in der Hauptstadt zu befinden. "Wir werden Tripolis nicht den Besatzern und ihren Agenten überlassen. Ich bin mit euch in dieser Schlacht", sagte er.

In der Öffentlichkeit zeigte sich Gaddafi zuletzt Ende Mai bei einem Besuch des südafrikanischen Präsidenten Jacob Zuma, der zu einer Vermittlungsmission nach Libyen gereist war. Das libysche Staatsfernsehen strahlte dabei Aufnahmen des Machthabers aus, wie er Zuma am Eingang eines Gebäudes empfängt. Im Juni zeigte das Staatsfernsehen Bilder von einer Schachpartie zwischen Gaddafi und dem Präsidenten des Weltschachverbands, Kirsan Iljumschinow. Dieser meldete sich gestern wieder zu Wort: Gaddafi habe ihm per Telefon versichert, er sei "lebendig und gesund", halte sich in Tripolis auf und habe "keine Absicht, Libyen zu verlassen", sagte Iljumschinow der russischen Agentur Interfax.

Als möglicher Aufenthaltsort wird immer wieder auch die Gegend um die Stadt Sirte genannt, wo Gaddafi am 7. Juni 1942 angeblich in einem Beduinenzelt geboren wurde. Die Küstenstadt ist Heimat seines Stammes, den Gaddafa, und anders als der Großteil des Landes weiter in der Hand seiner Anhänger.

Unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich ist eine Flucht Gaddafis ins Ausland. Südafrika wies am Montag Gerüchte zurück, Flugzeuge nach Libyen geschickt zu haben, um Gaddafi und seine Familie außer Landes zu bringen. Niemand aus dem Gaddafi-Clan habe in Südafrika Asyl beantragt, sagte die südafrikanische Außenministerin Maite Nkoana-Mashabane. Auch Algerien war in den vergangenen Wochen immer wieder als möglicher Zufluchtsort für Gaddafi genannt worden, was die Regierung des Nachbarlandes aber kategorisch dementierte.

Auf einen Blick

Frankreich und die USA wollen die Aufständischen in Libyen bis zum endgültigen Sieg über das Regime von Muammar al-Gaddafi aktiv unterstützen. "Solange Gaddafi und sein Clan die Waffen nicht niedergelegt haben, werden die militärischen Anstrengungen fortgesetzt", ließ Sarkozy gestern Abend nach einem Telefongespräch mit US-Präsident Barack Obama mitteilen. Beide seien sich einig in der Einschätzung, dass das Ende des Regimes "unausweichlich und nah" sei.

 In Tripolis lieferten sich Aufständische und Gaddafi-Getreue gestern erbitterte Kämpfe um die befestigte Residenz des Diktators. Foto: dpa

In Tripolis lieferten sich Aufständische und Gaddafi-Getreue gestern erbitterte Kämpfe um die befestigte Residenz des Diktators. Foto: dpa

Zur Unterstützung des libyschen Volks wird es laut Pariser Élyseepalast in Kürze eine internationale Konferenz in der französischen Hauptstadt geben. Auf ihr soll Hilfe für den Aufbau eines "neuen, demokratischen und pluralistischen Libyens" organisiert werden. dpa

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