Israels Regierungschef unter Druck Für Netanjahu wird die Luft dünner

Jerusalem · Die israelische Polizei empfiehlt eine Anklage gegen den Ministerpräsidenten wegen Korruption. Einen Rücktritt lehnt der Politiker aber weiter ab.

 Wegen Korruptionsverdachts steht der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu unter Druck. Die Polizei empfiehlt eine Anklage, die Opposition fordert den Rücktritt.

Wegen Korruptionsverdachts steht der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu unter Druck. Die Polizei empfiehlt eine Anklage, die Opposition fordert den Rücktritt.

Foto: dpa/Ronen Zvulun

Der wegen Korruptionsvorwürfen unter Druck stehende israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu lehnt einen Rücktritt weiter ab. „Weder ich noch sonst jemand hat Pläne für Wahlen“, sagte Netanjahu gestern in Tel Aviv. Während die Opposition ihre Rücktrittsforderungen erneuerte, hielten die Regierungsmitglieder dem Ministerpräsidenten vorerst die Treue.

„Ich kann Ihnen versichern, dass die Koalition stabil ist“, betonte Netanjahu. Die Regierung werde weiterhin „gemeinsam für das Wohl der israelischen Bürger bis zum Ende der Amtszeit arbeiten“. Diese endet regulär 2019.

Die Polizei hatte zuvor eine Anklage gegen Netanjahu wegen Korruption empfohlen. Es gebe genug Beweise, um Netanjahu wegen der Annahme von Bestechungsgeldern, Betrugs und Vertrauensmissbrauchs vor Gericht zu bringen, hieß es. Netanjahu wies die Vorwürfe gestern erneut zurück und kritisierte den Polizeibericht als „löchrig wie ein Schweizer Käse“. Der Bericht sei „irreführend“ und entspreche nicht „Wahrheit und Logik“.

Die Polizei hatte in zwei Fällen gegen Netanjahu ermittelt. In einem Fall wird ihm vorgeworfen, zusammen mit seiner Frau Sara über Jahre hinweg teure Geschenke vom israelischen Geschäftsmann und Hollywood-Produzenten Arnon Milchan und dem australischen Milliardär James Packer erhalten zu haben. Zu den Geschenken sollen teure Zigarren, Champagner und Schmuck gezählt haben. Der Gesamtwert wird auf umgerechnet 229 000 Euro geschätzt. Netanjahu wird laut Polizei verdächtigt, versucht zu haben, Milchan Steuererleichterungen in Israel zu ermöglichen, ihm bei der Erteilung eines US-Visums behilflich gewesen zu sein und seine Geschäftsinteressen zu befördern. Der Israeli Milchan hat viele Filme produziert, darunter etwa den Hollywood-Streifen „Pretty Woman“.

Der andere Fall betrifft den Vorwurf, dass Netanjahu mit dem Verleger der auflagenstarken israelischen Zeitung „Jediot Ahronot“ eine geheime Absprache getroffen haben soll, um eine vorteilhaftere Berichterstattung zu erreichen. Dafür sollte der Ministerpräsident dabei helfen, den Erfolg der kostenlosen Konkurrenzzeitung „Israel Hajom“ zu schmälern.

Netanjahu beteuert seine Unschuld. Seine Vertrauten sprechen von einem „Putschversuch“ durch Netanjahus politische Gegner, die enttäuscht über ihre Wahlniederlagen seien.

Die Opposition dagegen lässt das Argument von kleinen Geschenken unter alten Freunden nicht gelten, sondern hält die Affären nur für die Spitze des Eisbergs. „Ganz klar, der Ministerpräsident muss zurücktreten“, bekräftigte der Chef der oppositionellen Arbeiterpartei, Avi Gabbay, gestern. „Es ist unwürdig, Ministerpräsident zu bleiben.“

Bildungsminister Naftali Bennett, wichtiges Mitglied von Netanjahus Koalition, kritisierte Netanjahus Verhalten gestern zwar, stellte aber klar, dass er Regierungsmitglied bleibe. „Ein Ministerpräsident muss nicht perfekt sein oder ein übermäßig bescheidenes Leben führen, aber er muss jemand sein, den die Leute ansehen und sagen: ‚So sollte man sich verhalten’“, sagte Bennett in Tel Aviv. „Geschenke hoher Summen über einen langen Zeitraum anzunehmen, wird diesem Anspruch nicht gerecht.“

Bis zu einem Schuldspruch gelte allerdings die Unschuldsvermutung, sagte Bennett, der selbst Ambitionen auf das Amt des Ministerpräsidenten hat. Bennett kündigte an, die Entscheidung des Generalstaatsanwaltes abwarten zu wollen.

Die offizielle Entscheidung über eine Anklage fällt Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit zu. Eine mögliche Anklage würde Netanjahu zwar nicht zum Rücktritt zwingen, den Druck auf ihn aber vermutlich stark erhöhen. Er wäre erst zu einem Rücktritt gezwungen, wenn er verurteilt werden würde und alle Möglichkeiten der Berufung ausgeschöpft sein sollten.

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