Porträt Dr. Anne Fleck „Für meine Klinikchefs war ich der Freak“

Saarbrücken · Wie die Saarländerin eine angesagte Medizinerin, Buchautorin und TV-Expertin wurde – und was das alles mit Kunst zu tun hat.

 Die Medizinerin Anne Fleck geht eher unkonventionelle Wege, was bei ihren Arzt-Kollegen früher nicht so gut ankam. Heute ist die gebürtige Saarländerin  für ihre ganzheitliche Ernährungsmethode bekannt.

Die Medizinerin Anne Fleck geht eher unkonventionelle Wege, was bei ihren Arzt-Kollegen früher nicht so gut ankam. Heute ist die gebürtige Saarländerin  für ihre ganzheitliche Ernährungsmethode bekannt.

Foto: BECKER JOEST VOLK VERLAG

Einen Ingwer-Tee mit Zitrone. Mit einem Lächeln und einer Handbewegung zeigt Anne Fleck der Kellnerin des kleinen Cafés nahe der Saarbrücker Basilika, dass sie nicht mehr bestellen will. An sich eine völlig belanglose Szene. Alltäglich. An einem anderen Tag hätte es auch eine Schwarzwälder-Kirschtorte für sie sein können. Oder ein Schnitzel. Nur, es ist Anne Fleck, die hier etwas bestellt – und wer sie erkennt, analysiert, was sie isst. Fragt sich, warum jetzt einen  Tee und keinen Kaffee? Das wird sich auch nicht ändern, wenn sie noch so oft wiederholt: „Essen ist etwas sehr Individuelles.“ Für sie und jeden Menschen.

Sie meint, was sie sagt: Bei der Hamburger Medizinerin hat Essen vor allem eins: Methode. Ihre ganz eigene. Sie heißt sogar nach ihr: Die „Doc Fleck Methode“. Genau dafür ist Anne Fleck berühmt. Nicht nur in Deutschland. Allein unzählige Einträge über Fleck und ihren Ernährungsansatz gibt es im Netz. Sie wird gelobt – und natürlich auch kritisiert.

Im Café weiß das in diesem Moment niemand. Und das ist der zierlichen Frau mit den langen, blonden Haaren auch recht. „Ich bin ein bescheidener Mensch.“ Auch wenn ihr allein schon wegen des gestenreichen Sprechstils stets viele Blicke sicher sind. In einer der Buchhandlungen in der Einkaufs­passage nur wenige hundert Meter entfernt würde man sie wahrscheinlich erkennen. Zumindest in der Ratgeber-Ecke.

Womöglich kauft dort gerade jetzt jemand eines ihrer Bücher. Die drehen sich alle um gesundes Essen und ganzheitliche Gesundheit. In Bestseller-Listen stehen diese Woche drei davon. „Schlank! und gesund mit der Doc Fleck Methode“ sogar ganz oben. Zudem läuft noch am Abend die mit ihr konzipierte Fernsehsendung  im NDR: „Die Ernährungs-Docs“. Aber auch in der ARD, auf Arte, im SWR und SR ist  Dr. Fleck auf Visite.

Geht es nach den Kommentaren im Netz, schätzten die Leute Doc Flecks Methode wegen ihres ganzheitlichen und eher natürlichen Ansatzes. Darin kombiniert sie moderne Medizin, neueste Ernährungsforschung mit innovativen Heilmethoden und Zuwendung, sagt sie. Im Kern will sie den Menschen helfen, drei Fragen für sich so zu beantworten, dass sie künftig gesünder leben können. „Was esse ich? Wie esse ich? Und wann esse ich?“. Hier begleite sie ihre Patienten als eine Art „Gesundheitsscout“.

Sie klärt die Menschen über Transfette auf, über Eiweiße oder „Clean Eating“. Am liebsten aber spricht die 45-Jährige über Öle. Aus Leinsamen, Weizenkeimen und Oliven. Über die Omega-3-  und Omega-6-Fette darin, ihr Verhältnis zueinander. Fette sind einfach ihr Ding. Seit sie 19 ist und den Hollywood-Film Lorenzos Öl mit Susan Surandon gesehen hatte. Darin wird ein krankes Kind durch den Einsatz von Ölen gesund.

Dabei beschreibt sie alles in einer sehr einfachen und klaren Sprache. So sind Omega-3-Fette erst mal keine komplexen chemischen Formeln, sondern „mimosenhaft, total empfindlich, aber sehr wichtig für die Gesundheit“. Damit diese im Körper dorthin gelangen, wo sie richtig wirken, brauchen sie „Eiweiße und diese sind echte Transporterraketen für Fett.“

„Als ich die Methode vor Jahren meinen damaligen Klinikchefs vorgestellt hatte, schauten die mich nur stumpf aus trüben Augen an. Ich war der Freak“. Jetzt ist sie anerkannt dafür. Seit 2009 therapiert sie Menschen so.

Was viele nicht wissen: Die Ärztin, die heute in Hamburg lebt und dort eine eigene Praxis betreibt, ist eigentlich eine Saarländerin. Anne Fleck wurde in Saarlouis geboren und ging dort auch zur Schule, „Hier, in St. Ingbert und Schwalbach habe ich meine ganze Kindheit verbracht“, sagt sie. „Das war eine schöne Zeit. Sehr idyllisch. Wir haben ja direkt am Wald gelebt. Ich war eine echte Ronja Räubertochter.“

Und als wildes Wald-Mädchen wollte sie auch beruflich ihrer Fantasie freien Lauf lassen. „Ich wollte eigentlich Künstlerin werden.“ Mit sieben Jahren habe sie sogar mal einen Malwettbewerb gewonnen, sagt sie – durchaus ironisch. Geprägt habe sie dabei ihre Familie. Ihre Eltern lieben es zu malen, genau wie Annes Oma Anna. „Wenn ich male, bin ich ganz bei mir“, sagt sie. Genau wie beim Musik machen. Fleck lernte mit sechs Jahren Klavier und mit 13 Jahren Kontrabass spielen. „Ich habe jahrelang im Landesjugendsinfonieorchester mitgemacht, war deshalb in den Ferien ständig unterwegs.“

Am Ende siegte aber die Sorge, von Kunst nicht leben zu können. Und sie wollte etwas mit Menschen machen. So entschied sie sich für die Medizin. Ihre Ratgeber-Karriere ist also durchaus das Produkt einer Vernunftsentscheidung. „Im Nachhinein ergibt das alles Sinn“, sagt sie – und schiebt mit einem Lächeln hinterher: „Es ist wirklich alles gut so.“

Nach dem Abitur in Saarlouis immatrikulierte sie sich in Leipzig. Es folgten Auslandsstationen in Paris, L’Aquila (Italien) und Wien. Schon in dieser Zeit beschäftigte sie sich mit alternativer Ernährungsmedizin, neuen Ansätzen der Adipositas-Forschung, Naturheilkunde, Akupunktur. Für sie stand schnell fest: „Unsere Essgewohnheiten steuern viele Prozesse in den Zellen.“ Diabetes, Herz-Kreislauf-Krankheiten, Depressionen, Demenz. Vieles lasse sich auf Essgewohnheiten zurückführen – und so behandeln, sagt die Medizinerin.

Ihr Leitmotiv dabei: Mit ihrer Medizin einen Nutzen für andere schaffen. „Ich möchte für jeden Menschen die bestmögliche Gesundheit erreichen, damit er mehr Lebensqualität hat.“ Wer sich auch mit Fleck unterhält, glaubt ihr das.

Damit sie aber nicht so dozierend in ihrer Praxis rüberkommt, malt die Saarländerin ihren Patienten die Therapiepläne gerne auf, statt einfach nur Rezepte in kühlem Arztjargon auszustellen. „Das ist dann meine Kunst“, sagt sie und zeichnet mit den Fingern etwas auf den Holztisch des Cafés.

Aber eigentlich hat sie dafür jetzt keine Zeit mehr. Ihr Zug wartet. Nach dem kurzen Stopp in Saarbrücken geht es wieder zurück nach Hamburg. In die Praxis. Und dann ist sie auch wieder unterwegs zu Vortragsreisen. Ruhige Augenblicke in Cafés sind im Moment eben eher rare Momente.

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