Für ein sicheres und selbstbestimmtes Leben

Saarbrücken-Bübingen. Guaranies an den Wänden, in den Herzen, in den Köpfen: Hiltrud und Herbert Hartmann leben mit ihren südamerikanischen Indianer-Schützlingen - auch wenn sie mal gerade nicht in Argentinien sind, sondern daheim in Bübingen. Das Ehepaar engagiert sich seit einem Vierteljahrhundert für die Guaranies

Saarbrücken-Bübingen. Guaranies an den Wänden, in den Herzen, in den Köpfen: Hiltrud und Herbert Hartmann leben mit ihren südamerikanischen Indianer-Schützlingen - auch wenn sie mal gerade nicht in Argentinien sind, sondern daheim in Bübingen. Das Ehepaar engagiert sich seit einem Vierteljahrhundert für die Guaranies. Anders als viele der südamerikanischen Indianergruppen erhielten sie so eine echte Zukunftschance - und lernten, sie zu nutzen.Die Hartmanns sind Saarländer, 1946 und 1942 in Neunkirchen geboren. Hiltrud hat Geographie und Germanistik studiert, Herbert Chemie und Physik - und beide auch Kunsterziehung. Sie arbeiteten im saarländischen Schuldienst. Doch dann lockte die Ferne: Für sechs Jahre, von 1985 bis 1991, gingen sie mit Sohn Patrick nach Argentinien, wo sie am deutschen Gymnasium in Buenos Aires lehrten. Die Schulferien verbrachten sie mit dem Erkunden Argentiniens. Schließlich, nachdem sie durch einen deutschen Pater von den Guarani-Indianern und deren hoffnungsloser Lage erfuhren, suchten sie gezielt im Nordosten nach diesen Menschen. Und fanden alles noch schlimmer, als der Pater berichtet hatte.

Diese Begegnung liegt 25 Jahre zurück. Und seither bestimmt der Vorsatz, "ihren" Guaranies eine Zukunft zu schaffen, das Leben der Hartmanns. Die aus Asien zugewanderten Guarani-Indianer, so erzählen die Hartmanns, seien einmal das größte Volk Lateinamerikas gewesen. In den Randbezirken Argentiniens, nahe Paraguay und Brasilien, lebten sie. Sie waren Sammler und Jäger. Landwirtschaft und Vorratshaltung waren ihnen fremd. Sie kannten keine Schrift, lebten von der Hand in den Mund - wie seit vielen Generationen. Dann aber begann das große Abholzen der kostbaren Wälder. Die Lebensgrundlage der Guarani-Indianer verschwand. Sie wurden vertrieben.

Die Hartmanns fanden kleine, zierliche, sehr asiatisch aussehende Menschen - völlig verelendet, halb verhungert, ohne die geringste Hilfe vom Staat. "Schuld an ihrem Elend haben nicht die Guaranies" sagen Hartmanns. Diese Menschen, die immer als Halbnomaden lebten, bauten - neben der Jagd - allenfalls etwas Mais und die Knollenpflanze Maniok um ihre Hütten an. Von Säen und Bodenbearbeitung wussten sie nichts. Ihre Ernährung war unzureichend. Die Wasserversorgung war katastrophal - alle Wasserläufe in der Region sind durch den Tabakanbau vergiftet.

Hiltrud und Herbert Hartmann war klar, dass sie nicht allen würden helfen können. So entschieden sie sich für eine Gruppe von etwa tausend Menschen - sieben Dörfer nahe der Grenze zu Brasilien, die Fläche größer als das Saarland. Erst einmal ging es um die Verbesserung der Wohn- und Sanitärbedingungen. Die Guaranies lernten, Gemüse und Obst anzubauen, lernten kochen, nähen, stricken. Schulen entstanden.

Dann ein ganz großer Schritt: Die Hartmanns kauften Land, erst eine Farm von 33 Hektar, auf der sich bereits 16 Familien ansiedelten, und dann 130 Hektar Land mit sauberem Bachlauf - von dort können nun die Menschen nicht mehr vertrieben werden. Inzwischen versorgen sie sich selbst, sie pflanzen und ernten, kochen und haben Werkstätten. Die Männer schnitzen Tiere und flechten Körbe, die Frauen fertigen hübsche Ketten aus Sumpfgras-Samen - die von den Hartmanns bei Basaren verkauft werden. Alle Kinder gehen in die Schule. Es gibt eine tägliche Schulspeisung. Und weil die Hartmanns nun schon ein Vierteljahrhundert aktiv sind, sind auch die kleinen Guaranies der Anfangszeit erwachsen geworden und ziehen ihre eigenen Kinder so groß, wie sie es inzwischen gelernt haben. Alle arbeiten, alle können Spanisch lesen und schreiben - aber auch ihre eigene, inzwischen verschriftete Sprache, denn ihre Kultur soll auf jeden Fall bewahrt werden.

Weil nun auch schon Guarani-Kinder in der nächstgelegenen Stadt, El Soberbio, die Oberschule besuchen, wurde dort ein Internat für 40 Kinder gebaut. Und die ersten von den Hartmanns ausgebildeten Hilfslehrer arbeiten an den Schulen der Guarani-Dörfer - und werden dafür vom Staat bezahlt. Das nächste große Ziel: Die Indianer Argentiniens haben keine Papiere. Die Hartmanns kämpfen jetzt um Personaldokumente für ihre Guaranies. Almosen bekommen die Menschen in den sieben Dörfern übrigens nicht. Geld gibt es nur für Arbeit.

Hiltrud und Herbert Hartmann, seit fast zwei Jahrzehnten wieder im Saarland und mittlerweile pensioniert, sind weiter voll im Einsatz. Sie werben um Sponsoren, gehen an die Öffentlichkeit für ihr Anliegen, suchen überall nach Geldquellen, denn ihre monatlichen Verpflichtungen für den Unterhalt aller Einrichtungen liegen bei rund 6000 Euro. Jetzt soll zum Beispiel eine Brücke über den Chafariz gebaut werden, damit die Menschen auf dem Weg zur Schule oder zur Arbeit nicht durch den Fluss waten müssen.

Derweil schreitet die Abholzung der Wälder Argentiniens weiter voran. "Jede Minute werden weltweit 18 Hektar Wald abgeholzt - das sind 25 Fußballfelder", sagt Herbert Hartmann. Die Einwohner werden gnadenlos vertrieben.

Noch immer verbringen Hiltrud und Herbert Hartmann jedes Jahr jeweils sechs Wochen bei ihren Guaranies. Und sie stehen das ganze Jahr über fast täglich über Skype in Verbindung mit den Verantwortlichen, die sie sich "großgezogen" haben. "Die Guaranies sind unsere Kinder", sagen Hiltrud und Herbert Hartmann. "Schuld an ihrem Elend haben nicht die Guaranies."

Hiltrud und Herbert Hartmann, die sich seit 25 Jahren für

die Guarani-Indianer

in Argentinien engagieren

Auf einen Blick

2010 ist Jubiläumsjahr: Vor 25 Jahren haben Hiltrud und Herbert Hartmann ihr Engagement für die Guaranies begonnen, vor zehn Jahren den Verein Guarani-Hilfe gegründet, der heute 200 Mitglieder hat. Der Verwaltungsaufwand liegt bei gerade mal einem Prozent. Spendenkonto: Sparkasse Saarbrücken, Konto 42710103; Sparkasse Saarpfalz, Konto 1011007711.

Weitere Infos im Internet: www.guarani-hilfe.de. tb

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