Führungsstreit in der AfD: Scharfe Kritik an Parteichef Lucke
Berlin · Bernd Lucke ist das Gesicht der AfD. Das haben auch Frauke Petry und Konrad Adam inzwischen akzeptiert – obwohl sie eigentlich genauso entscheiden dürfen wie er. Dass Lucke sie mit einer Satzungsänderung ausbooten will, versuchen sie aber mit aller Macht zu verhindern.
Das Schreiben, das kurz nach den Feiertagen bei AfD-Chef Bernd Lucke eingeht, ist zwar im Ton höflich, aber in der Sache knallhart. Die Absender, darunter mehrere Mitglieder des Bundesvorstandes, beschweren sich darin über seinen Führungsstil "nach Gutsherrenart". Und über Luckes angeblichen Versuch, Funktionsträger der Partei "auf Linie zu bringen". Er, Lucke, solle sich künftig bitte nur zur Euro-Rettungspolitik äußern - und andere Themen wie Zuwanderung, den Ukraine-Konflikt oder die Angst vor der "Islamisierung " Deutschlands gefälligst anderen Parteimitgliedern überlassen, die dafür besser geeignet seien.
Wer Lucke (52) kennt, weiß, dass er sich diese Maßregelung wohl nicht gefallen lassen wird. Damit ist der Machtkampf noch vor dem mit Spannung erwarteten Parteitag Ende Januar in Bremen eskaliert.
Hintergrund des Protestbriefs: Lucke will auf dem Parteitag eine neue Satzung durchsetzen, die seine Führungsrolle zementieren würde. Wer nach dem Mitgliederparteitag als Sieger vom Platz geht, ist offen. Fest steht aber: In Bremen entscheidet sich, ob die AfD dauerhaft einen Platz in der Parteienlandschaft finden wird. Oder ob der Anti-Euro-Partei eine Austrittswelle droht, von der sie sich nie mehr erholen wird.
Sollten die Mitglieder die von Lucke favorisierte Führungsstruktur mit nur einem Vorsitzenden und drei Stellvertretern ablehnen, ist zu erwarten, dass Lucke bei der Wahl des neuen Bundesvorstandes Anfang April nicht mehr kandidieren wird. Dann hätte die AfD ein Problem. Denn Lucke ist das Aushängeschild der Partei. "Wenn das passieren sollte, dann werde ich die AfD verlassen", ist ein Satz, den man in Parteikreisen oft hört. Das wissen auch die "Rebellen", die Lucke nun vor einem von ihm geplanten Treffen mit den Kreisvorsitzenden am 18. Januar in Frankfurt um ein klärendes Gespräch gebeten haben. Ihre Botschaft an Lucke ist deshalb: "Wir stehen nach wie vor zu Ihnen als einem von drei Sprechern." Eine Hierarchie nach dem Vorbild der etablierten Parteien lehnen sie ab. "Wir sind alle gemeinsam angetreten, manches anders und vieles besser zu machen. Eine CDU/FDP 2.0 gehört nicht dazu", heißt es in dem Schreiben an Lucke. Nun, tatsächlich ähnelt der derzeitige Aufbau der AfD-Parteispitze mehr der Führungsstruktur bei den Grünen.
Doch was passiert, wenn Lucke jetzt im Zorn das Handtuch wirft? Vor allem liberale Mitglieder befürchten, dass die AfD ohne ihn weiter nach rechts abdriften könnte. Dafür, dass die Sorge vor "Überfremdung" zum zentralen Thema der Partei wird, gibt es schon Anzeichen - vor allem in Ostdeutschland. Der Auftritt des Brandenburger AfD-Chefs Alexander Gauland am Rande einer Demonstration der Anti-Islam-Bewegung Pegida in Dresden wurde von einigen Kommentatoren noch als einmaliger unanständiger "Flirt" der Partei mit dem rechten Rand gewertet. Für den 7. Januar hat nun aber auch die Fraktionsvorsitzende der AfD im sächsischen Landtag, Frauke Petry, die Pegida-Organisatoren zu einem Gedankenaustausch eingeladen - was von der Linkspartei heftig kritisiert wird. Mit dem Bundesvorstand ist der Pegida-Termin zwar abgesprochen. Doch zumindest Vorstands-Vize Hans-Olaf Henkel sieht die Bewegung, die vor einer angeblichen "Islamisierung des Abendlandes" warnt, nicht nur wegen der ausländerfeindlichen Einstellung einiger Demonstranten kritisch. Henkel, der vor allem im großbürgerlichen Hamburger Milieu Anhänger hat, steht auch im Führungsstreit auf Luckes Seite.