Freude und Frust über das Ende eines Experiments

Das Ende kam abrupt und war kurz - aber nicht schmerzlos. Nach weniger als zwei Jahren ist Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen am Ende. Die einzige Minderheitsregierung in Deutschland ist am Haushalt für 2012 gescheitert. Dabei lief es zuletzt gut für Regierungschefin Hannelore Kraft (SPD). Jetzt zieht sie wieder in den Wahlkampf, diesmal gegen Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU)

Das Ende kam abrupt und war kurz - aber nicht schmerzlos. Nach weniger als zwei Jahren ist Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen am Ende. Die einzige Minderheitsregierung in Deutschland ist am Haushalt für 2012 gescheitert. Dabei lief es zuletzt gut für Regierungschefin Hannelore Kraft (SPD). Jetzt zieht sie wieder in den Wahlkampf, diesmal gegen Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU). Dabei gelangen Kraft mit wechselnden Mehrheiten durchaus große Projekte. Bei Veränderungen des Schulsystems half die CDU, bei der Stärkung der Kommunalfinanzen stieg die FDP mit ins Boot. Auch beim Thema Haushalt hatten viele auf die FDP gehofft. Doch es kam anders.Nach der ersten Schockstarre ist der künftige Kurs klar: NRW steuert auf turbulente Zeiten zu, mit einer Neuwahl voraussichtlich am 6. oder 13. Mai. Der Landtag löste sich gestern Nachmittag auf. Das Ende der aktuellen Legislaturperiode ist damit besiegelt, sagt Parlamentspräsident Eckhard Uhlenberg. Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigt sich von den überraschenden Entwicklungen am Rhein unbeeindruckt. "Die Arbeit auf der Bundesebene ist völlig unabhängig von der Arbeit in den Ländern", sagt die CDU-Chefin in Berlin.

Viele betretene, ernste Gesichter sind gestern im Düsseldorfer Landtag zu sehen. Einer hat unverhohlen gute Laune: Norbert Röttgen. "Ich führe die Partei in die Wahl, und ich führe sie in die Wahl, um stärkste Partei und Ministerpräsident zu werden. Das ist unser Ziel." Die Minderheitsregierung sei aus "Überheblichkeit" im Sommer 2010 an den Start gegangen, und nun sei das Experiment krachend gescheitert, freut sich der Vorsitzende des größten CDU-Landesverbands. "Die ganze Zockerei ist jetzt am Ende", sagt CDU-Fraktionschef Karl-Josef Laumann.

Die Regierungschefin erscheint dagegen ein wenig angeschlagen, als sie unmittelbar vor der Schicksalsabstimmung über den Haushalt vor die Mikrofone tritt. Sie wolle Dank sagen für die "unglaubliche Disziplin" an die Fraktionen von SPD und Grünen und an ihr Kabinett. "Danke, dass wir in den knapp zwei Jahren etwas vorangebracht haben, woran zunächst niemand geglaubt hat", sagt sie auch in Richtung Opposition. "Ich bin stolz auf das, was wir in 20 Monaten geschafft haben", ergänzt Kraft, nachdem sich der Landtag aufgelöst hat. Von verletzter Eitelkeit oder persönlichem Groll keine Spur. Die 50-Jährige macht auch unmissverständlich deutlich: Sie steht wieder als Spitzenkandidatin zur Verfügung. Und Kraft zeigt sich kampfbereit bei der überraschend letzten Landtagssitzung in dieser abgeschnittenen Legislaturperiode.

Der Polit-Krimi läuft so schnell, dass mancher mit dem Begreifen gar nicht recht mitkommt. Doch der Vorsitzende der NRW-FDP, Daniel Bahr, gibt sich optimistisch: "Den Mutigen gehört die Zukunft", spricht der nach Düsseldorf gereiste Bundesgesundheitsminister in die Mikros. Er sei stolz auf die FDP-Landtagsfraktion, die bewiesen habe: "Überzeugung ist wichtiger als Mandatssicherung." Fraktionschef Gerhard Papke wehrt sich gegen Spekulationen, die Bundespartei habe den Liberalen in NRW vor anstehenden Landtagswahlen die Hand geführt. Jeder Abgeordnete habe persönlich entschieden, betont Papke. Allen Umfragen zufolge dürfte die FDP nach der Neuwahl allerdings nicht mehr im NRW-Landtag vertreten sein. Für SPD und Grüne sind die Aussichten nicht schlecht: Sie können mit einer eigenen Mehrheit rechnen. Für die SPD stellt der Fraktionsvorsitzende Norbert Römer fest: Die Sozialdemokraten könnten "mit Stolz" und "vor allem mit Zuversicht vor die Wähler treten".

Nun muss binnen 60 Tagen neu gewählt werden. Für die Linksfraktion wird es wohl ebenfalls knapp. Ob sie die Fünf-Prozent-Hürde schafft, ist völlig unklar. Dagegen machen sich die Piraten schon mal startklar, sagt Landeschef Michele Marsching.Foto: dapd

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