Freiwillige Helfer für alte Menschen

Berlin/Saarbrücken. Familienministerin Kristina Schröder (CDU) malte ein düsteres Szenario: Würde der Zivildienst in Deutschland ersatzlos gestrichen, "dann wäre das für unser Land eine Katastrophe". Sie verwies auf die wichtigen Aufgaben der derzeit 90 000 Zivildienstleistenden, etwa in der Altenpflege oder der Kinderbetreuung

Berlin/Saarbrücken. Familienministerin Kristina Schröder (CDU) malte ein düsteres Szenario: Würde der Zivildienst in Deutschland ersatzlos gestrichen, "dann wäre das für unser Land eine Katastrophe". Sie verwies auf die wichtigen Aufgaben der derzeit 90 000 Zivildienstleistenden, etwa in der Altenpflege oder der Kinderbetreuung. Deshalb hat die Ministerin gestern in Berlin den Gesetzentwurf für einen neuen Bundesfreiwilligendienst vorgestellt. Demnach sollen ab Juli 2011 als Ersatz für die "Zivis" pro Jahr 35 000 Menschen für den neuen Freiwilligendienst gewonnen werden. Im Zuge der Aussetzung der Wehrpflicht fällt auch der Zivildienst weg. Bereits bestehende Dienste der Länder wie das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ) sollen parallel zum neuen Dienst weiter existieren. Im Saarland sorgt der Entwurf bei den großen Trägern des FSJ für gemischte Reaktionen. Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) im Saarland begrüßt den Entwurf von Ministerin Schröder. "Vor einem halben Jahr hatten wir noch die Befürchtung, dass die Freiwilligendienste dadurch ausgetrocknet werden, das ist aber eine gangbare Lösung", sagt Martin Erbelding, Leiter der Öffentlichkeitsarbeit beim DRK. Er glaube aber nicht, dass für den neuen Freiwilligendienst mehr ältere Menschen gewonnen werden könnten, wie es Ministerin Schröder hofft. "Das FSJ ist ein typisches Orientierungsjahr für Jugendliche, die nach ihrem Schulabschluss nicht wissen, was sie machen sollen", erklärt er. Mit 210 Plätzen pro Jahr ist das DRK nach eigenen Angaben der größte FSJ-Träger im Saarland.Im Gegensatz zu den bereits bestehenden Angeboten wie FSJ und Freiwilliges Ökologisches Jahr (FÖJ) dürfen sich in dem neuen Dienst auch Menschen engagieren, die älter als 27 Jahre sind. Neu ist auch, dass Teilnehmer über 27 Jahre auch Teilzeit, also etwa 20 Wochenstunden, arbeiten können. Das findet der Paritätische Wohlfahrtsverband (DPWV) im Saarland gut. "Der Freiwilligendienst ist eine attraktive Möglichkeit für Leute ab 27, die nur 20 Stunden in der Woche arbeiten wollen", sagt Gaby Lichtenberg, die die FSJ-Abteilung beim DPWV leitet. Der Verband bietet pro Jahr 120 Plätze an.Die Arbeiterwohlfahrt im Saarland hält es hingegen für problematisch, dass an dem neuen Dienst auch Menschen über 27 Jahren teilnehmen dürfen. "Dadurch entsteht eine sehr inhomogene Gruppe", sagt Jürgen Nieser, Pressesprecher der Awo Saar. Er halte den neuen Dienst auch nur dann für sinnvoll, wenn die lokalen Träger mit einbezogen würden. Die Awo bietet Jugendlichen 168 FSJ-Plätze im Saarland an.Bedenken hat auch der Internationale Bund (IB). "Ich halte nichts von dem Entwurf, weil die Träger völlig ausgebootet werden", erklärt Hartmut Brombach, der beim IB für das FSJ zuständig ist. Gerade die Träger würden aber die Qualität im Freiwilligendienst garantieren, erklärt Brombach, der gleichzeitig Sprecher des Bundesarbeitskreises FSJ ist. Beim IB gibt es im Saarland jedes Jahr ungefähr 180 Plätze für das FSJ. Brombach befürchtet zudem eine Konkurrenzsituation zwischen FSJ und dem neuen Freiwilligendienst. Der Verdienst eines FSJ-Teilnehmers liege durchschnittlich unter dem, was es für den neuen Dienst geben soll. Ministerin Schröder kündigte an, dass die Obergrenze bei monatlich 324 Euro im Westen und 273 Euro in Ostdeutschland liegen soll. Jeder Bewerber müsse das aber individuell mit seinem Träger aushandeln. Meinung

Nur bedingt hilfreich

Von SZ-KorrespondentHagen Strauß Das neue Konzept zum "Bundesfreiwilligendienst" von Ministerin Schröder klingt erst einmal edel und gut. Schön wär's, wenn sich die Republik am Ende in einen Hort noch mehr engagierter Menschen verwandeln würde, ob jung oder alt. Doch das ist Schrödersches Wunschdenken. Die mühsame Arbeit für die Ministerin geht jetzt in die nächste Runde, nachdem Union und FDP sich schon bei der Erstellung eines gemeinsamen Entwurfs gequält haben. Soll der neue Freiwilligendienst erfolgreich sein, bedarf es spürbarer Anreize - etwa durch eine großzügige Anerkennung bei der Rentenberechnung oder aber bei der Studienplanung. Diese Anreize gibt es aber nicht, sie müssen noch verhandelt werden. Doch auch dann bleibt das Grundproblem bestehen: Zwar suggeriert die Ministerin, dass mit dem neuen Dienst der Wegfall der "Zivis" in Krankenhäusern, Altenheimen oder Behindertenwerkstätten kompensiert werden kann. Doch wer das wirklich glaubt, ist naiv. In Wahrheit ignoriert die Politik nach wie vor, dass die Pflege von Menschen, die Begleitung und Betreuung Behinderter eine personalintensive und anstrengende Arbeit ist. Dafür braucht man mehr Fachkräfte, die gut bezahlt werden - und nicht mehr Billigkräfte. Der Bundesfreiwilligendienst ist somit nur bedingt hilfreich. auf einen blickDer vom Bund finanzierte Bundesfreiwilligendienst soll den bisherigen Zivildienst ersetzen, der nach Aussetzung der Wehrpflicht ebenfalls wegfällt. Jährlich sollen 35 000 Plätze für Männer und Frauen ab 16 Jahren angeboten werden. Auch ältere Menschen können sich in dem neuen Dienst engagieren. Er soll zwischen sechs und 24 Monaten dauern - bei einer Regeldauer von einem Jahr. Die Freiwilligen sollen in sozialen Einrichtungen der Wohlfahrtspflege, der Kommunen und anderer Träger eingesetzt werden. Neben Krankenhäusern oder Behindertenheimen, wo bisher viele Zivildienstleistende arbeiten, wird der Freiwilligendienst künftig auf Sport, Kultur, Bildung und andere Bereiche ausgedehnt. dpa

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