„Freiheitsentzug bleibt die Ultima Ratio“

In Deutschland gibt es 26 Einrichtungen mit 310 intensivpädagogischen Plätzen für Jugendliche. Warum diese Hilfe nicht unproblematisch ist, besprach Dr. Sabrina Hoops vom Deutschen Jugendinstitut (DJI) mit SZ-Redakteurin Cathrin Elss-Seringhaus.

In den 70er-Jahren gab es unter Jugendhilfe-Experten eine nahezu geschlossene Front gegen eine Pädagogik des "Wegschließens". Wie sieht das Meinungsbild heute aus?

Hoops: Wichtig zu wissen ist: Die alten Fürsorge-Einrichtungen von damals, gegen die sich die Kritik richtete, gibt es nicht mehr. Die moderne Kinder- und Jugendhilfe verfügt heute über ein breit aufgestelltes Spektrum ambulanter und stationärer Settings. Und rein quantitativ spielen freiheitsentziehende Maßnahmen nur eine sehr geringe Rolle. Gleichwohl ist es eine Hilfeform, die auch heute kontrovers diskutiert wird. Ich finde: auch zu Recht, denn immerhin handelt es sich hier um einen massiven Eingriff in die Persönlichkeitsrechte. Die gesetzlichen Hürden sind ja auch entsprechend hoch. Fest steht für mich: Freiheitsentziehende Maßnahmen müssen pädagogisch legitimiert werden, und es braucht hier gut ausgebildetes und erfahrenes Personal. Wir haben es hier mit jungen Menschen zu tun, die schon viel Schlimmes erlebt haben.

Jugendämter klagen über zu wenige Plätze für diese schwierigen Jugendlichen. Müsste es mehr geben?

Hoops: Ich weiß, wie verzweifelt manche Fachkräfte nach Unterbringungsmöglichkeiten suchen, es gibt den Ruf nach mehr Plätzen. Aber ich tue mich schwer mit einer Ausweitung des Angebotes.

Weil dies Nachfrage schafft?

Hoops: Ich denke, wenn es mehr Plätze gäbe, würden diese auch belegt werden. Deshalb sähe ich es eigentlich lieber, wenn wir in die Entwicklung noch besserer präventiver und offener Modelle investieren würden, die dann auch flächendeckend zur Verfügung stehen. Kinder mit offenen Methoden zu erreichen, muss Vorrang haben. Auch wenn wir in einzelnen Fällen sicher eine zeitweilige freiheitsentziehende Maßnahme benötigen, um das Kindeswohl zu sichern. Da kann es vielleicht die "letzte Rettung" sein. Aber es muss klar sein: Freiheitsentzug ist und bleibt die Ultima Ratio, um Erziehung wieder zu ermöglichen und den Jugendlichen Entwicklungschancen zu geben. Ziel muss es sein, möglichst schnell auch wieder Freiräume zu eröffnen.

Die Verbindung mit einer offenen Betreuung ist auch im Saarland geplant. Was macht das Thema trotzdem so heikel?

Hoops: Es polarisiert, denn es lässt sich ordnungspolitisch sehr gut instrumentalisieren, etwa wenn im gleichen Atemzug von "Wegsperren" oder von Kinderknästen die Rede ist. Aber um es klar zu sagen: Es handelt sich hier um Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe , es sind keine Einrichtungen der Justiz.

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