Freiheit, die sie meinen

Wenn Erdogan von der angeblich erstrebenswerten Demokratie in seinem Land spricht, ist das Hochmut, aber nicht nur. Bei aller Kritik an der Selbstherrlichkeit und am autoritären Gebaren des Ministerpräsidenten ist es nützlich, im Hinterkopf zu behalten, welch gutes Gespür der Mann für die Bedürfnisse seiner Anhänger hat.

Die konservativen Wähler des Premiers haben ganz andere Vorstellungen von demokratischen Reformen als die türkischen Erdogan-Gegner oder die Europäer. Die EU regt sich über Erdogans Twitter-Verbot auf - den Wählern des Premiers ist das Verbot egal. Sie interessieren sich viel brennender für Dinge wie die Freigabe des islamischen Kopftuchs im öffentlichen Dienst der Türkei. Dieser Schritt hat Millionen von türkischen Familien neue Perspektiven eröffnet, weil ihre Töchter jetzt Ärztinnen oder Anwältinnen werden dürfen, was ihnen unter der Herrschaft der säkularistischen Eliten verwehrt wurde. Der EU haben die islamisch-konservativen Türken das nicht zu verdanken, sondern Erdogan. Das ist einer der wichtigsten Gründe für seinen anhaltenden - und aus europäischer Sicht manchmal rätselhaften - Wahlerfolg.

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