„Frau Unverzichtbar“ in einer Welt der gefährlichen Männer

London/Berlin · Schon wieder eine Ehre für Angela Merkel: Die britische Tageszeitung „The Times“ hat die Kanzlerin zur „Person des Jahres 2014“ gekürt. Merkel habe sich mittlerweile zu „Frau Unverzichtbar“ entwickelt.

. Vor wenigen Tagen stand in der SZ: "Frankreich stimmt für Merkel". Dreiviertel der Franzosen, berichtete unsere Korrespondentin, "mögen" die deutsche Bundeskanzlerin. Gestern meldeten die Agenturen, die angesehene britische Tageszeitung "Times" habe Merkel zur "Person des Jahres 2014" gekürt. In Deutschland ergeben Umfragen, dass rund 60 Prozent der Bundesbürger mit der Arbeit ihrer Regierungschefin zufrieden sind und sie dem SPD-Konkurrenten Sigmar Gabriel klar vorziehen (RTL-Wahltrend). Merkel, die sich vor Ehrungen und Würdigungen kaum noch retten kann, steht offenbar im Zenit ihrer Karriere.

Seit Jahren schon erklärt das US-Magazin "Forbes" die deutsche Kanzlerin regelmäßig zur "mächtigsten Frau der Welt". Es mag zwar keine allzu große Kunst sein, in diese Position zu gelangen, wenn man seit fast zehn Jahren das wichtigste Land Europas anführt und politische Persönlichkeiten wie Indira Gandhi , Golda Meir oder Margret Thatcher derzeit in der Welt rar gesät sind. Das ändert aber nichts an der außergewöhnlichen Stellung der früher als "Kohls Mädchen" verspotteten Kanzlerin.

Bemerkenswert ist auch die Begründung der "Times", die noch immer von ihrem legendären Ruf zehrt: Merkel sei genau "die Frau, die wir brauchen in einer Welt voller gefährlicher Männer ". Sie habe sich zur "Frau Unverzichtbar" (Mrs. Indispensable) gemausert, vor allem ihr Beitrag zur Bewältigung der Ukraine-Krise, aber auch allgemein bei der Vermittlung zwischen Russland und dem Westen verdiene "Applaus". Merkel, diagnostiziert die "Times", verfüge über einen "natürlichen Instinkt", sei die "herausragende Politikerin Europas" und überhaupt "die mächtigste Frau der Welt".

Für die SPD , immerhin Koalitionspartner der Union, aber auch für die Opposition in Berlin müssen diese Jubel-Arien schrill klingen. Weil man das Prinzip "Ehre, wem Ehre gebührt" durchaus akzeptiert; aber auch weil sie die eigene Chancenlosigkeit drastisch vor Augen führt. Seit Jahren zermartern sich führende Genossen den Kopf, wie man aus dem Ghetto der 25-Prozent-Partei herauskommen und Merkels CDU endlich einmal ernsthaft Konkurrenz machen könnte. Bislang ohne jeden Erfolg. SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi sagte jetzt der Tageszeitung "Die Welt", Ziel der Sozialdemokraten sei es, Angela Merkel im Jahr 2017 als Kanzlerin abzulösen. Denn zwölf Jahre wären "dann wahrlich genug". Doch die SPD sitzt in der Falle, da sie der Kabinettsdisziplin verpflichtet ist. Deshalb kann sie nicht mal darüber mosern, dass Merkel sich zwar ernsthaft um den Dialog mit Moskau bemüht. Dabei aber herzlich erfolglos ist, wie die Dutzende Treffen und Telefonate mit Präsident Wladimir Putin ernüchternd zeigen.

Derzeit bleibt SPD und Opposition nichts übrig als abzuwarten, dass der Wind sich womöglich doch noch mal dreht. Und sich an Kommentaren wie in den "Nürnberger Nachrichten" zu erfreuen, wo Merkel als "wolkige Wohlfühl-Kanzlerin" bezeichnet wird. Empfehlenswert könnte auch der Verzicht auf die "Times"-Lektüre sein. Die Zeitung schließt ihre Lobeshymne auf Merkel nämlich mit der Bitte, sie möge 2017 abermals für die Kanzlerschaft kandidieren. . .

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Auf einen BlickAngela Merkel ist schon oft für ihre politische Arbeit geehrt worden. Wichtige Auszeichnungen: - Karlspreis (2008)- Großkreuz des Verdienstordens von Deutschland (2008), Italien (2006), Saudi-Arabien (2007), Norwegen (2007), Peru (2008), Portugal (2009)- Presidential Medal of Freedom der USA (2011); - Leo-Beack-Preis (2007)- Indira-Gandhi-Preis (2013);- "Mächtigste Frau der Welt" (Forbes), fünfmal seit 2006- Ehrendoktorwürde der Universitäten Breslau, Leipzig, Jerusalem, Bern, Seoul, Tel Aviv. bb

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