Berlin-Besuch Macrons unermüdliches Werben

Berlin · Beim gestrigen Berlin-Besuch lädt Frankreichs Präsident die Kanzlerin erneut zu seinem europäischen Reformkurs ein.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron nach seiner Rede im Bundestag.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron nach seiner Rede im Bundestag.

Foto: dpa/Michael Kappeler

Es ist eine bewegende Geste. Junge Fußballspieler – 14, 15, 16 Jahre – berichten am Volkstrauertag im Bundestag, wie sie die Gräber von ehemaligen Vereinskameraden besucht haben, die im Ersten Weltkrieg gefallen sind. Es ist ein Weg, Schicksale von jungen Menschen vor 100 Jahren hinter geschichtlichen Daten, hinter Kriegen zu begreifen. „Wir haben Friedhöfe besucht, auf denen mehr Tote liegen als Gäste in unser Stadion passen, über 100 000 Tote“, sagt ein junger Kicker von Hertha BSC Berlin.

Zu diesem Volkstrauertag 100 Jahre nach Ende des Ersten Weltkriegs ist Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron zu Besuch. „Das Gefühl, das ich heute empfinde, ist Dankbarkeit.“ Seine Ruckrede im Bundestag ist bewegend. Sie endet mit den Worten: „Es lebe Frankreich. Es lebe Deutschland. Es lebe die deutsch-französische Freundschaft. Es lebe Europa.“ Die Zuhörer stehen auf und spenden lange Beifall. Das gibt es so nicht oft.

Viele seiner Worte sind ein neuerliches Werben um Kanzlerin Angela Merkel (CDU), endlich die Reformen in Europa mit voranzutreiben. Deutschland und Frankreich hätten ihre Differenzen in der EU nie verleugnet. Heute „müssen wir den Mut finden, ein neues Kapitel aufzuschlagen. Das schulden wir Europa“ und denjenigen, die in den letzten 70 Jahre daran gearbeitet hätten.

Heute seien die Herausforderungen andere – Umwelt und Klimawandel, Migration, neuer Nationalismus und die Digitalisierung. Deutschland und Frankreich müssten ihre Tabus, ihre unterschiedlichen Sichtweisen auf Europa überwinden. Europa müsse mit den notwendigen Instrumenten gegen neue Krisen ausgestattet werden – neben einem Währungsfonds zur Absicherung des Euros schwebt ihm auch eine europäische Armee vor – was US-Präsident Donald Trump ziemlich auf die Palme bringt.

Es ist quasi ein Gegenbesuch, nachdem vergangene Woche in Compiègne und Paris der Millionen Toten des Ersten Weltkriegs gedacht wurde. Berlin und Paris proben den Schulterschluss, auch wenn es zuletzt kräftig hakte – Macrons Vorschläge für eine Neugründung Europas wurden kleingehäckselt, auf den kleinsten gemeinsamen Nenner. In Zeiten von AfD, Lega in Italien und nationalistischen Regierungen wie in Polen und Ungarn werden große Würfe immer schwieriger. Und gerade die Union bremst hier.

Doch zuletzt gab es im Ringen um gemeinsame Reformen Bewegung auf deutscher Seite – Merkel betont bei einem Treffen mit Macron nach der Rede im Bundestag denn auch: Man müsse nun „wirklich liefern“ – Mitte Dezember soll es beim EU-Gipfel zu Entscheidungen kommen. Die Finanzminister Bruno le Maire und Olaf Scholz (SPD) einigten sich gerade schon mal auf den Rahmen für ein Eurozonen-Budget innerhalb der EU-Haushaltsstrukturen, um Investitionen in strukturschwachen Gegenden etwa in Griechenland oder Italien anzukurbeln. Und um den Euro durch gemeinsames Haushalten etwas krisenfester zu machen.

Doch mit wie viel Geld der Topf gefüllt wird, ist noch unklar, Deutschland zahlt bisher rund 30 Milliarden an die EU und will im Zuge des Austritts Großbritanniens bislang höchstens zehn Milliarden Euro mehr geben. Frankreich hat nach Italien mit 2,2 Billionen Euro die zweithöchsten Schulden in der Euro-Zone. Die wichtigste Reform dürfte der Umbau des Euro-Rettungsfonds ESM zu einem dauerhaften Europäischen Währungsfonds werden, damit bei neuen Krisen nicht wieder hektisch Rettungsschirme aufgespannt werden müssen.

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