Frankreichs Fußball-Desaster wird zur Staatsaffäre

Paris. Nicolas Sarkozy zückt das Messer. Nach dem furiosen Untergang der französischen Nationalmannschaft bei der WM will der Staatschef die Führung des Fußball-Verbands FFF über die Klinge springen lassen. Die Spieler sollen für ihr arrogantes Auftreten finanziell bluten

 Staatspräsident Sarkozy hat ein ehrgeiziges Ziel: Er will Frankreichs Fußball retten. Foto: dpa

Staatspräsident Sarkozy hat ein ehrgeiziges Ziel: Er will Frankreichs Fußball retten. Foto: dpa

Paris. Nicolas Sarkozy zückt das Messer. Nach dem furiosen Untergang der französischen Nationalmannschaft bei der WM will der Staatschef die Führung des Fußball-Verbands FFF über die Klinge springen lassen. Die Spieler sollen für ihr arrogantes Auftreten finanziell bluten. "Die öffentliche Meinung fordert, dass wir das alles aufräumen", rief Sarkozy nach Berichten des "Canard enchaîné". "Wir müssen bei null anfangen."

Mit hängenden Köpfen landeten die Kicker gestern wieder in Paris. Ein Polizei-Großaufgebot schirmte die geschlagene "équipe tricolore" vor Medien und einer Handvoll Fans ab. Die meisten Spieler verließen in von Polizeiwagen gesicherten Bussen den Flughafen. Franck Ribéry flog in einem von den Bayern gecharterten Privatjet gleich nach München weiter, wo er heute an der Leiste operiert wird. Bis zum Start der zweiten Phase der Saisonvorbereitung am 15. Juli soll er wieder zum Team stoßen. Stürmer-Star Thierry Henry wurde von einer dunklen Limousine mit Motorradeskorte direkt in den Élyséepalast gefahren, um Sarkozy das Chaos zu erläutern.

Die Franzosen sind begeistert. "Eine Staatsaffäre", titelt "L'Équipe" zufrieden. "Über die klägliche WM der Bleus wird auf höchster Staatsebene abgerechnet." Doch Sarkozys autoritäres Eingreifen hat einen Haken. Er hat gar kein Recht dazu, privaten Verbänden Personalentscheidungen zu diktieren und sich in private Arbeitsverträge einzumischen. Aber egal: "Wenn die ganze Welt sich über uns lustig macht, dann ist das ein politisches Problem", meint Sarkozy. Sport-Staatssekretärin Rama Yade kündigte einen "Urknall des französischen Fußballs" an.

Sarkozy ist gewohnt, Leute einzusetzen oder abzustrafen. Er entscheidet nicht nur, wer Minister wird, sondern auch, wer den Louvre, das Staatsfernsehen oder den Stromkonzern EDF leitet, wer Polizeipräfekt wird oder als Staatsanwalt die heiklen Fälle betreut. Aber der FFF ist ein privater Verein, und die Fußball-Paten sind selbstbewusst. Da hat der Staat gar nichts zu sagen. Trotzdem sollen Sportministerin Roselyne Bachelot und Rama Yade nun dafür sorgen, dass die Verantwortlichen schnell die Konsequenzen aus dem WM-Desaster ziehen. Konkret: FFF-Chef Jean-Pierre Escalettes soll weg, wegen seiner Nibelungentreue zu Trainer Raymond Domenech. Doch Escalettes stellt sich stur und will erst einmal an Bord des sinkenden Schiffes bleiben.

Weniger Probleme hat Sarkozy mit seiner Forderung, dass die Spieler keine Prämien erhalten sollen. Die mittlerweile selbst über die Wirkung ihres Auftritts entsetzten und zerknirschten Fußballer hatten darauf schon vorher freiwillig verzichtet. Und Skandaltrainer Domenech ist auch bereits Geschichte. Für das nächste Länderspiel zeichnet schon Welt- und Europameister Laurent Blanc verantwortlich.

Um das Aus der "Bleus" gegen Südafrika zu sehen, hatte Fußballfan Sarkozy sogar die Schweizer Präsidentin Doris Leuthart kurzfristig ausgeladen. Als nach Spielerstreik, Schimpfkanonaden und K.o. der Boden der Schande erreicht schien, setzte Trainer Raymond Domenech noch eins drauf und verweigerte Südafrikas Trainer den Handschlag. Im Nationalteam herrschten "unreife Gangführer über verängstigte Kinder", wetterte Bachelot. Der Trainer sei "ohne Autorität" und der Verband am Ende. Die Regierung müsse handeln.

"Ruhig gestellte Gauner"

Ausgerechnet Henry soll beim moralischen Neuanfang helfen. Der Mann, der mit einem Handspiel dafür sorgte, dass Frankreich und nicht Irland zur WM fahren durfte. Um Henry zu empfangen, ließ Sarkozy sogar ein Treffen mit Hilfsorganisationen zur Vorbereitung des G20-Gipfels platzen. Sarkozys Politisierung des Fußball-Schmierentheaters hat einen guten Grund: Während die Weltmeister-Elf von 1998 als Schmelztiegel der Rassen gefeiert wurde, wird Domenechs eitle Gurkentruppe von Kommentatoren als Spiegelbild der in Super-Egos und Ethnogruppen zerfallenden Gesellschaft beschrieben. Das gibt dem Rechtsradikalen Jean-Marie Le Pen Auftrieb, der gerne gegen die vielen Farbigen in der Nationalmannschaft wettert. Fünf Prozent könne ihn das kosten, soll Sarkozy gesagt haben.

Auch Sarkozy wird vom "Canard enchaîné" mit den Worten zitiert, einige Spieler seien "mit einem Berg von Knete ruhig gestellte Gauner". Zum Spielerstreik soll Sarkozy gesagt haben: "Das ist die Herrschaft der kleinen Gangleader." Staatssekretärin Fadela Amara warnte bereits vor einer "Ethnisierung der Kritik" an den Fußballern.

Eine Lösung für die "Identitätsfrage" hat die Regierung schon. Alle Fußballer sollten künftig die Nationalhymne mitsingen, weil die alle Werte Frankreichs repräsentiere. Und wer seine Steuern nicht in der Heimat zahlt, soll nicht mehr für die Nationalelf auflaufen.

 Staatspräsident Sarkozy hat ein ehrgeiziges Ziel: Er will Frankreichs Fußball retten. Foto: dpa

Staatspräsident Sarkozy hat ein ehrgeiziges Ziel: Er will Frankreichs Fußball retten. Foto: dpa

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