Nach Schul-Drama in Paris Unterricht in der Hochsicherheitszone?

Paris · Ein 15-Jähriger, der seine Lehrerin mit einer Spielzeug-Pistole bedroht, entsetzt Frankreich. Die Regierung plant harte Maßnahmen an Schulen.

 Körperscanner wie am Flughafen sind für französische Schulen zwar nicht geplant. Die Regierung setzt nach dem Vorfall in einem Pariser Klassenzimmer aber auf Sicherheitsverschärfungen, Metalldetektoren und Kameras.

Körperscanner wie am Flughafen sind für französische Schulen zwar nicht geplant. Die Regierung setzt nach dem Vorfall in einem Pariser Klassenzimmer aber auf Sicherheitsverschärfungen, Metalldetektoren und Kameras.

Foto: picture alliance / dpa/dpa Picture-Alliance / Marcus Brandt

Das Video dauert nur gut 30 Sekunden, doch es schockiert Frankreich nachhaltig. Zu sehen ist ein Schüler, der seiner Lehrerin in einem Gymnasium im Pariser Vorort Créteil eine Pistole an die Schläfe hält. „Trag mich anwesend ein, verdammte Scheiße“, fordert der zu spät gekommene Jugendliche die 60-Jährige auf, die vor ihrem Computer sitzt und nach außen hin ruhig bleibt. Hinter ihrem Rücken zeigt ein Mitschüler unter dem Gelächter seiner Freunde den Stinkefinger. Die Waffe stellt sich hinterher als Softair-Pistole, als Attrappe heraus, doch die Empörung über diese im Klassenzimmer gefilmte Szene ist trotzdem groß. Zeigt sie doch, dass zumindest an manchen Schulen nicht die Lehrer, sondern die Jugendlichen das Sagen haben. Das Gymnasium Edouard Branly, das Bühne der Drohung war, gilt dabei gar nicht als Problemschule: Die Erfolgsquote beim Abitur liegt dort bei 95 Prozent. „Das demonstriert, wie sehr die Gewalt an Schulen inzwischen banal geworden ist“, schreibt die konservative Zeitung „Le Figaro“.

Das berichten auch die Lehrer, die sich unter dem Stichwort „Pasdevague“ (keine Welle) im Kurznachrichtendienst Twitter Luft machen. Nicht nur über die Missachtung, die die Schüler ihnen entgegen bringen, sondern auch über die eigenen Vorgesetzten, die die Vorfälle unter den Teppich kehren. „Keine Welle machen“, laute das Motto. „Die Rektoren wollen nicht, dass solche Affären ihr Image belasten und das ihrer Schule“, sagt der Lehrer Yann in der Zeitung „Le Parisien“. „Ich wollte einen Schüler vor die Tür stellen, da hat er mich angespuckt“, berichtet die Lehrerin Eva. Lehrer Thibaud spricht von einem Kollegen, der auf seinem Schreibtisch eine tote Taube vorfand.

„Die Untersuchungen zeigen, dass weniger als ein Prozent der Lehrer körperlich angegriffen werden“, sagt der Soziologe Benjamin Moignard der Zeitung „Le Monde“. In den vergangenen Jahrzehnten sei die Zahl der Angriffe auch nicht mehr geworden. „Wir beobachten auf keinen Fall eine Explosion des Gewaltphänomens an den Schulen“, bemerkt der Spezialist für schulische Gewalt an der Universität Paris-Est-Créteil. Dagegen erlebten aber ein Drittel der Lehrer im Laufe eines Schuljahrs Beschimpfungen.

In Créteil stellte sich der Angreifer einen Tag nach der Tat selbst der Polizei. Gegen den 15-Jährigen läuft nun ein Ermittlungsverfahren wegen Gewaltanwendung. Der Jugendliche, dem mehr als drei Jahre Haft drohen, gab an, er habe im Spaß gehandelt, ohne die Lehrerin einschüchtern zu wollen. Die 60-Jährige, die auf dem Video seltsam unbeteiligt wirkt, wurde sieben Tage krank geschrieben. „Einen Lehrer zu bedrohen ist nicht hinnehmbar“, reagierte Präsident Emmanuel Macron, der selbst mit einer Lehrerin verheiratet ist. „Ich habe den Bildungs- und den Innenminister aufgefordert, alles zu tun, damit solche Taten bestraft und endgültig von unseren Schulen verbannt werden.“

„Wir werden die Ordnung wiederherstellen“, versicherte Bildungsminister Jean-Michel Blanquer, der als Musterschüler der Regierung gilt. Der einstige Leiter der Elitehochschule Essec verbot zu Schuljahresbeginn bereits Handys in den Mittelstufen, was viel Beifall fand. Auch nach den Ereignissen in Créteil setzt Blanquer auf Härte. So spricht sich der 53-Jährige für gezielte Kontrollen mit Metalldetektoren und mehr Videoüberwachung in Klassenzimmern aus. Vor allem will der beliebte Minister aber erreichen, dass Angriffe auf Lehrer auch bestraft werden. „Wir sind nicht in einer Logik zu großer Nachgiebigkeit“, sagt er. Genau die wirft ihm aber die rechte Opposition vor. Der konservative Abgeordnete Eric Ciotti fordert bereits, Eltern gewalttätiger Schüler das Kindergeld zu entziehen. Eine Idee, die auch schon für Eltern radikalisierter Jugendlicher die Runde gemacht hatte. Die Sozialisten kritisieren den Abbau von Stellen, der an Schulen chaotische Zustände schaffe. „Es gibt zwei Minister, die uns erklären, dass man einen Sicherheitsplan für die Schulen braucht und die gleichzeitig 2650 Stellen in den Mittelstufen streichen“, sagt der Chef der Sozialisten, Olivier Faure.

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