Recycling Frankreich bekennt Farbe beim Plastik

Paris · Weitermachen wie bisher ist keine Alternative: 2025 soll es in Frankreich nur noch Verpackungen aus recyceltem Material geben. Bisher gehörten die Franzosen zu den größten Recyclingmuffeln Europas.

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Foto: SZ

Wer in diesem Jahr Urlaub an Frankreichs Côte d’Azur macht, sieht es am Strand ebenso wie im Wasser: Plastik. Tüten, Flaschen und Verpackungen verschmutzen das Mittelmeer, wo der Kunststoff laut Umweltorganisation WWF 95 Prozent des Mülls ausmacht. Zu den Hauptverursachern gehört nach der Türkei, Spanien, Italien und Ägypten auch Frankreich mit 66 Tonnen am Tag.

Das will die Regierung nun ändern und das Recycling von Plastikflaschen fördern. Wer eine Flasche kauft, die aus einer alten gewonnen wurde, muss dafür weniger zahlen, kündigte Umwelt-Staatssekretärin Brune Poirson am Wochenende an. Andersherum ist für „neues“ Plastik ab 2019 ein Aufpreis von bis zu zehn Prozent fällig. Poirsons Pläne sind ehrgeizig, denn die Franzosen sind Recyclingmuffel. Nur 22 Prozent des Plastiks wird dort wiederverwertet.

„Eines der schlechtesten Ergebnisse in Europa“, kritisiert der WWF in seinem Bericht „Mittelmeer – Wege aus der Plastikfalle“. Gleichzeitig ist Frankreich europaweit der drittgrößte Konsument von Wasser aus der Flasche. Die ist fast immer aus Plastik und landet, nachdem sie ausgetrunken wurde, meist im Hausmüll. In Paris oder Marseille wird nur eine von zehn Flaschen eingesammelt und wieder genutzt.

Damit es mit dem Recycling künftig besser klappt, soll ein einheitliches System der Mülltrennung eingeführt werden. Bisher kommt der Plastikmüll je nach Wohnort mal in die gelbe und mal in die blaue Tonne. „Wir wollen die Mülleimerfarbe einheitlich machen, so dass Automatismen entstehen“, sagte Poirson in der Zeitung „Journal du Dimanche“.

Auch was genau in die Tonne kommt, ist geografisch unterschiedlich. So werden nur in einem Viertel Frankreichs auch Plastikbecher und Folien getrennt gesammelt. Im Rest des Landes landet dieser Müll im normalen Mülleimer.

Die Franzosen sind zwar beim Trennen schlechte Schüler, aber bei der Vermeidung von Plastik dafür weit voraus. Sie kommen auf 25 Kilo Plastikmüll pro Jahr und Bürger; in Deutschland sind es 37. Schon 2016 verbot Frankreich die Einmal-Plastiktüten im Supermarkt. „Die Tüten werden nur wenige Minuten benutzt und brauchen dann mehrere hundert Jahre für die Zersetzung“, sagte die frühere Umweltministerin Ségolène Royal bei der Vorstellung des Verbots, an das sich die meisten Händler halten.

Umweltorganisationen sehen in der Initiative von Poirson ein positives Signal. Allerdings konzentriere das Konzept sich auf das Recycling, statt den Verbrauch von Plastik zu verringern, kritisiert Laura Chatel vom Verein Zero Waste in der Zeitung „Le Parisien“. „Das ist so, als würde man eine Badewanne mit dem Eimer leeren und gleichzeitig den Wasserhahn laufen lassen.“

Andere Experten bemerken, dass eine Plastikflasche nur zwei- bis dreimal recycelt werden kann und danach doch im Müll landet. Ganz anders als Glas, das es in Frankreich für Getränke kaum gibt. Im Gegensatz zu Deutschland existiert auch kein Pfandsystem, das die Kunden zur Rückgabe ermuntern könnte.

Die Supermarktkette Leclerc will nun die Pfand­rückgabe von Plastikflaschen testen. „Der Kampf gegen das Plastik ist in meiner DNA“, sagt Chef Michel-Edouard Leclerc. Deshalb sollen schon nach den Sommerferien in seinen Läden Plastikprodukte wie Strohhalme, Wattestäbchen und Plastikbecher aus dem Sortiment genommen werden. Mehr als ein Jahr bevor am 1. Januar 2020 ein offizielles Verbot dafür in Kraft tritt. Andere Ketten wie Carrefour ergreifen ähnliche Initiativen. Für den Chef des Umweltdienstleisters Veolia, Antoine Frérot, hat das Recycling noch einen anderen Nebeneffekt: „Wenn Europa 60 Prozent seines Plastiks recycelt, werden bis 2020 rund 80 000 Arbeitsplätze geschaffen.“

Auch in Deutschland kann und muss sich was ändern – ganz gleich, ob die Wirtschaft davon profitiert oder nicht. Allen Appellen zum Trotz produzieren die Deutschen unverändert viel Verpackungsmüll. 220,5 Kilogramm pro Kopf und Jahr waren es allein im Jahr 2016, wie das Umweltbundesamt im Juli bekannt gab. Der Verpackungsverbrauch liegt damit weiterhin deutlich über dem europäischen Durchschnitt von 167,3 Kilo pro Kopf. Mehr als 70 Prozent des deutschen Verpackungsmülls wurden im Jahr 2016 recycelt. Allerdings waren die Quoten ganz unterschiedlich: 85,5 Prozent bei Glas, 88,7 Prozent bei Papier und Karton, aber nur 26 Prozent bei Holz beispielsweise.

Die Bundesregierung hofft auf die Wirkung des neuen Verpackungsgesetzes, das ab Januar kommenden Jahres in Kraft tritt. Dann steigen unter anderem die verpflichtenden Recycling-Quoten. Und auch die Anreize für umweltfreundliche Lösungen: Schlecht wiederverwertbare Verpackungen werden für die Hersteller teuerer werden als recyclingfreundliche Designs.

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