Frack, Zylinder und öfter mal ein SchnäpschenDie "Weisheit" des 108-Jährigen im SZ-Interview

Saarbrücken. Noch Mitte Juli dieses Jahres hatte Johannes Heesters seine Frau Simone Rethel auf eine Vortragsreise nach Völklingen begleitet. Während seine Frau Vorbereitungen in einem Veranstaltungsraum der SHG-Klinik traf, saß Heesters neben einem Freund der Familie abwartend im Foyer

Saarbrücken. Noch Mitte Juli dieses Jahres hatte Johannes Heesters seine Frau Simone Rethel auf eine Vortragsreise nach Völklingen begleitet. Während seine Frau Vorbereitungen in einem Veranstaltungsraum der SHG-Klinik traf, saß Heesters neben einem Freund der Familie abwartend im Foyer. Ich beugte mich zu ihm hinunter und stellte mich mit lauter, deutlicher Stimme als derjenige vor, mit dem er sich für ein Interview für die SZ-Serie "Die Weisheit der 100-Jährigen" verabredet hatte. Heesters blickte in meine Richtung und entgegnete freundlich: "Sie brauchen nicht so zu schreien. Meine Augen funktionieren nicht mehr so gut, aber die Ohren schon." Er lächelte, wie triumphierend. Er war gut gelaunt. Nach dem Vortrag seiner Frau wollte er das Interview wegen seines erschöpften Zustandes jedoch verschieben und es zu einem späteren Zeitpunkt telefonisch geben. Einen Termin zu finden, erwies sich als schwierig. "Nächste Woche wird eng, da habe ich viele Termine", meinte Heesters. "Ich arbeite zwar viel weniger als früher, aber ich arbeite", sagte er wenige Tage später, als schließlich ein Termin für eines seiner letzten Interviews gefunden war. "Mein Lebenswille kommt mir nicht abhanden", betonte er. Und als Rat und Lebensweisheit eines 100-Jährigen empfahl er: "Auch wenn die Welt sich seit meiner Jugend sehr verändert hat, gelten ein paar Dinge immer. Etwa: Nimm dein Leben selbst in die Hand und warte nicht, dass andere es für dich leben." Und: "Nicht immer zurückschauen, sondern im Heute leben und gespannt sein, was als nächstes kommt." 108 Jahre hielt diese Spannung. Johannes SchleuningMünchen. Johannes Heesters war eine Legende im Reich der Operette und zuletzt der wohl älteste aktive Schauspieler und Sänger der Welt. Mit seinem Tod endet eine Jahrhundert-Ära der leichten Muse im deutschsprachigen Raum. "Jopies" Markenzeichen waren Frack, Zylinder und langer weißer Seidenschal. Jetzt bleibt der Platz des Grafen Danilo Danilowitsch im Maxim's leer. Heesters, dessen Paraderolle der leichtlebige Gigolo aus Franz Lehárs Operette "Die lustige Witwe" war, starb an Heiligabend in Starnberg. Er wurde 108 Jahre alt. Am Freitag soll er in München beigesetzt werden. Mit seinem Namen verbunden sind Evergreens wie "Man müsste Klavier spielen können" oder "Ich möchte jede Nacht von Ihnen träumen", vor allem aber "Heut geh' ich ins Maxim, da bin ich so intim".

Heesters stand fast bis zuletzt im Rampenlicht. Noch zum 107. Geburtstag sang er mit erstaunlich kräftiger Stimme wieder die Lieder seines Lebens. "Warum soll ich nicht weiterspielen? Soll ich zu Hause sitzen und warten, bis man mich holt?", sagte Heesters, der noch täglich Fitnessübungen machte. Seinen letzten Auftritt hatte er knapp zwei Monate vor seinem Tod zum 50-jährigen Bestehen der Komödie im Bayerischen Hof in München.

Noch 2002 ging er mit seiner Frau Simone Rethel-Heesters, mit der er am Starnberger See lebte, auf Tournee. Kurz vor seinem 108. Geburtstag erlitt der Sänger einen Schwächeanfall. Eine Woche vor Weihnachten wurde er dann ins Krankenhaus gebracht - er hatte einen schweren Schlaganfall erlitten. Der Kaufmannssohn wurde am 5. Dezember 1903 im niederländischen Amersfoort als Johan Marius Nicolaas Heesters geboren. Ursprünglich wollte Heesters Priester werden. Nach ersten Erfolgen als Schauspieler ab Anfang der 1920er Jahre in den Niederlanden brachte ihm der Umzug nach Deutschland den Durchbruch als Künstler. Nachdem er ab 1935 in Berlin Theater spielte, wurde er schnell zum Liebling der Millionenstadt.

Rasch wurde die UFA auf den gutaussehenden Schauspieler aufmerksam und machte ihn zum Leinwandstar. In "Der Bettelstudent" spielte Heesters an der Seite Marika Rökks seine erste große Filmrolle. Der Niederländer und die Ungarin wurden zum Traumpaar des Dritten Reichs - und Heesters geriet allmählich ins Blickfeld der Nationalsozialisten. Nachdem er noch von 1936 bis 1938 nach eigenen Angaben ein Berufsverbot bekam, weil er sich Propagandaminister Joseph Goebbels widersetzte und nicht Deutscher wurde, wurde anschließend ausgerechnet Adolf Hitler zu einem seiner glühendsten Fans. Heesters machte zwar keine gemeinsame Sache mit den Nazis, er verweigerte sich jedoch auch nicht seiner Funktion als Star der "Ablenkungsfilme", die während des Zweiten Weltkriegs die Deutschen ins Kino lockten. Für böses Blut in seinem Heimatland Niederlande sorgte ein bis heute nicht endgültig geklärter Besuch im Konzentrationslager Dachau: Heesters bestritt zeitlebens, damals dort für die SS gesungen zu haben. Die Berichte über den KZ-Besuch verhinderten über Jahrzehnte, dass Heesters' Wunsch nach einem Auftritt in seinem Geburtsland in Erfüllung ging. 2008 aber durfte er doch noch einmal in seinem Geburtsort Amersfoort auftreten.

"Natürlich habe ich auch Angst, dass es mal aufhört", sagte Heesters in einem Interview kurz vor seinem 108. Geburtstag. "Ich möchte schon, dass es noch ein bisschen länger dauern darf, das wäre natürlich sehr schön." Und er zog das Fazit über sein langes und aufregendes Leben: "Es ist sehr schön gewesen."

Doch was war nun das Geheimnis des langen Lebens? Vielleicht ja sein legendärer Knoblauch-Schnaps. Wenn er sich stärken wollte, gönnte er sich morgens auf nüchternen Magen, mittags vor dem Essen und abends vor dem Schlafen ein Gläschen davon - frei nach dem Motto: Wer das überlebt, wird auch über hundert. "Natürlich habe ich Angst,

dass es mal aufhört."

Jopi Heesters

kurz vor seinem

108. Geburtstag

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort