Forscher will das Sterben unterbrechen

Ulm · Mit Frostschutzmittel und Stickstoff will sich der Forscher Klaus Sames nach dem Tod einfrieren lassen. Er glaubt fest an ein Leben nach dem Tod. Doch will er das vorher lieber erstmal an einem Schweineherz probieren.

Klaus Sames steht im Einbalsamierungsinstitut in Ulm , es riecht nach Desinfektionsmittel, im Nebenraum sind Särge aufgetürmt. Hier wird er eines Tages liegen. In der Hand hält er eine Brustbeinsäge, um damit den Brustkorb aufzumachen. "In der Drosselgrube machen wir einen kleinen Schnitt", sagt Sames und hält sich die scharfe Säge direkt an den Hals. Vor zwei Jahren konnten sie an einer Leiche üben. "Da haben wir alles gelernt, was man an Handgriffen wissen muss." Der Brustkorb wird geöffnet, über eine Herz-Lungen-Maschine soll Frostschutzmittel in seine Blutbahn gepumpt werden. Dann erst soll die Leiche unter Null Grad gekühlt werden, ohne dass sich zerstörerische Kristalle bilden. So zumindest die Theorie.

Sames gilt in Deutschland als Pionier der Kryonik. Sein Plan wirkt wie aus einem grotesken Science-Fiction-Film: Der Ulmer Altersforscher will sich nach seinem Tod tiefkühlen und in ein paar Hundert Jahren wieder auftauen lassen - dann, wenn tödliche Krankheiten heilbar sind.

Die Idee hat nicht nur Sames: Erst kürzlich setzte eine 14-jährige Britin kurz vor ihrem Tod gerichtlich durch, dass ihre Leiche eingefroren wird. Das krebskranke Mädchen hoffte, eines Tages aufgetaut und von ihrer schweren Krankheit geheilt zu werden.

Doch die Methode hat Kritiker. "Das ist ein Hirngespinst", meint etwa Frank-Michael Weigner vom Verband Deutscher Präparatoren. Körperzellen seien mit Flüssigkeit gefüllt. "Wenn man das 'runterkühlt, dehnt sich die Flüssigkeit aus, dann platzen alle Zellen." Da helfe auch keine Kühlflüssigkeit in den Blutadern. Und selbst wenn man Menschen ohne größere Schäden einfrieren könnte: "Wenn man auftaut, wird der ganz normale Verwesungsprozess weitergeführt." Er findet gut, dass Menschen auch mal sterben. "Irgendwann muss auch Schluss sein."

"Man kann jeden aufheben", glaubt hingegen Sames. "Man kann das Sterben unterbrechen." Er weiß, dass sich ein Mensch kaum ohne Schäden einfrieren lassen dürfte. Die Konservierung kompletter Organe hält er aber prinzipiell für möglich. Deshalb will er bald ein Schweineherz auf minus 130 Grad tiefkühlen und dann wiederbeleben. Es wurmt ihn, dass seine Wissenschaft nicht ernst genommen wird. Erst nach seiner Zeit als Mediziner outete er sich als Kryonik-Anhänger. Er träumt vom "Durchbruch zur medizinischen Seriosität". Sames ist als ehemaliger Gerontologe leidenschaftlicher Forscher. Die Kryonik ist seine Ersatzreligion, sie gibt ihm Hoffnung. "Ich habe Angst vorm Sterben, aber Grauen vor dem Tod", sagt er. Es geht um Auferstehung. Umgerechnet rund 26 800 Euro hat er dem Cryonics Institute in den USA gezahlt, damit sie ihn aufbewahren. Dort will er bei minus 196 Grad kopfüber hängen, bis sie ihn auftauen. "Das ist mindestens so seriös wie das Marsprojekt", sagt er. Und wie das sein, wenn sie ihn auftauen? "Da wird jemand sein, der darauf programmiert ist, mich in die neue Realität einzuführen". Und dann will Sames Champagner trinken.

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