Flugziel streng geheim

Moskau · Dass die USA den Enthüller Snowden nicht zu fassen bekommen, sorgt dort schon für Ärger genug. Der Fall zeigt aber auch, dass andere große Spieler wie China und Russland der Weltmacht Grenzen setzen.

Wahrscheinlich hat Edward Snowdon Russland längst verlassen. An Bord der Maschine der staatlichen russischen Linie Aeroflot auf dem Weg nach Havanna sah ihn niemand - den von den USA gesuchten "Geheimnisverräter". Das russische Staatsfernsehen wünschte seinen Reportern an Bord einen guten Flug in die kubanische Sonne. Von dem 30-jährigen Snowden aber fehlte jede Spur. Russland, das auch als Reich der Verschwörungstheorien gilt, hat einmal mehr bewiesen, dass es solche Operationen wie in einem ordentlichen Thriller durchziehen kann - ohne Angst vor den USA. Während China Konflikte lieber vermeide, nehme sie Russland förmlich mit offenen Armen auf, twitterte der russische Politologe Dmitri Trenin. Wohl deshalb hat Snowden am Sonntag Hongkong verlassen, um über einen Zwischenstopp in Moskau seine Flucht fortzusetzen. Wohin? Das ist unklar. Snowden hatte in Ecuador Asyl beantragt, wie auch der Außenminister des südamerikanischen Landes, Ricardo Patiño, vor der Presse bestätigte. In Moskau war die Information gestreut worden, der 30-Jährige wolle über Havanna nach Ecuador reisen, woraufhin viele Medienvertreter einen Platz in der Aeroflot-Mittagsmaschine buchten. Dort wurde er aber nicht gesichtet. "Er ist nicht mit dieser Maschine geflogen", zitierte die russische Nachrichtenagentur Interfax eine nicht näher benannte Quelle bei der Fluggesellschaft Aeroflot. Für eine Festnahme und eine Auslieferung an die USA sehe Russland keinen Grund, sagte gestern der Menschenrechtsbeauftragte der russischen Regierung, Wladimir Lukin. "Die Amerikaner können nichts fordern. Wir können ihn übergeben - oder wir können ihn nicht übergeben." Die USA wollen Snowden wegen Geheimnisverrats fassen, weil er offengelegt hatte, wie der US-Geheimdienst NSA das Internet auskundschaftete. Moskauer Medien berichteten, dass Russland Snowden nicht festnehmen könne, weil er bei Interpol nicht zur Fahndung ausgeschrieben sei. Den Flughafen darf er den Berichten zufolge nicht ins Landesinnere verlassen, weil er kein russisches Visum hat.

Snowden war am Vortag von Hongkong nach Moskau gereist; Hongkong hatte ihn trotz eines US-Gesuchs zur Festnahme ziehen lassen. Die Enthüllungsplattform Wikileaks, die Snowden auf der Flucht unterstützt, teilte mit, dass dieser sich "auf einer sicheren Route" nach Ecuador befinde und von Diplomaten und Rechtsberatern von Wikileaks begleitet werde. Gestern Abend meldete sich Wikileaks-Gründer Julian Assange über den "Guardian" zu Wort: "Mr. Snowden und (die ihn begleitende britische Journalistin) Ms. Harrison sind beide gesund und sicher." Wegen der Umstände könne er zum Aufenthaltsort Snowdens und den Umständen keine weiteren Angaben machen. "Die Sache ist aber unter Kontrolle." Ecuador gewährt bereits Assange politisches Asyl. Außenminister Patiño ließ durchblicken, dass man auch den Asylantrag Snowdens wohlwollend prüfen werde.

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Am RandeBundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) will nach Berichten über ein geheimes britisches Abhörprogramm schnell strengere Datenschutzstandards in der EU durchsetzen. "Das Thema muss Priorität in der Union haben", sagte die FDP-Politikerin gestern in Berlin. Die Verhandlungen über einen neuen, besseren und einheitlichen Standard müssten vorangetrieben werden. Das Thema solle beim nächsten Treffen der EU-Justizminister im Juli auf die Tagesordnung. Die Reform des Datenschutzes ist zwischen den Mitgliedstaaten umstritten. Die aktuelle Datenschutzrichtlinie der Gemeinschaft stammt aus dem Jahr 1995. Auch Gespräche über ein allgemeines Datenschutz-Abkommen der EU mit den USA sollten jetzt "ganz oben auf die Agenda", forderte Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger. dpa

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