Flüchtlingsintegration Wenn Statistik Politik macht

Berlin · Von „Wir schaffen das“ bis Hartz IV: Über die Integration von Flüchtlingen am Arbeitsmarkt kursieren derzeit unterschiedliche Zahlen, die die gleiche Quelle haben. Und kein Widerspruch sind.

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(wk/dpa) Integration am Arbeitsmarkt – das Thema hat Konjunktur. Während das geplante, in der Union aber noch umstrittene Fachkräftezuwanderungsgesetz morgen im Kabinett beraten werden soll und CDU-Politiker gestern erneut Gesprächsbedarf anmeldeten, macht die Integration von Flüchtlingen, die schon in Deutschland leben, akut Schlagzeilen. Konkret war es in der vergangenen Woche Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer, weil er sagte, Angela Merkel liege mit ihrem viel zitierten „Wir schaffen das“ richtig. Die Integration der Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt gelinge schneller als gedacht, sagte Kramer, „bald“ 400 000 hätten schon einen Job oder eine Ausbildung gefunden. Das konterte nun die „Bild“-Zeitung mit der Schlagzeile „Zwei von drei Flüchtlingen leben von Hartz IV“. Beide Zahlen sind richtig.

Sie und weitere Daten entstammen der jüngsten Veröffentlichung des „Zuwanderungsmonitors“ des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), einer Einrichtung der Bundesagentur für Arbeit. Der Bericht datiert aus dem November dieses Jahres. Demnach waren von den 1,6 Millionen Flüchtlingen – inklusive Kinder und Alte –, die seit 2015 nach Deutschland kamen, zuletzt 360 877 in sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung, in Ausbildung oder in einem Minijob. Auf diese Zahl bezog sich Arbeitgeberpräsident Kramer und rundete sie auf. Die Beschäftigungsquote der Flüchtlinge (also der Anteil an den Personen im erwerbsfähigen Alter) von 31,6 Prozent ist drei Jahre nach dem großen Zustrom damit etwa halb so hoch wie in der Gesamtbevölkerung, wo sie 67,6 Prozent beträgt. Die Entwicklung entspricht dem, was Ende 2015 als optimistische Variante von der Bundesagentur für Arbeit über die Integration vorausgesagt worden war.

Bei der Bewertung muss berücksichtigt werden, dass viele Flüchtlinge lange warten müssen, bis ihre Verfahren abgeschlossen sind. Dann müssen sie Deutsch lernen oder sich Berufsabschlüsse anerkennen lassen, sofern sie die haben. Der starke Anstieg der Beschäftigungsquote von 23,4 auf 31,6 Prozent in nur einem Jahr deutet dem IAB zufolge aber darauf hin, dass bei immer mehr Betroffenen inzwischen die organisatorischen und persönlichen Voraussetzungen geklärt sind, sodass sie in einen Job vermittelt werden können.

Gleichwohl liegt auch nach den Daten des IAB der Anteil der Hartz IV-Empfänger mit 63,7 Prozent bei den Flüchtlingen weit über der Hartz-IV-Quote aller Ausländer (20,6 Prozent) oder gar der Gesamtbevölkerung in Deutschland (neun Prozent). Die Erklärung hierfür ist laut Bundesagentur für Arbeit: In der Gesamtzahl von 992 202 Empfängern sind Kinder – sie machten zuletzt etwa ein Drittel aller Flüchtlinge aus –, Alte und andere mitgezählt, die nicht arbeiten können. Zum anderen zählen all jene dazu, die noch in Aus- oder Fortbildung stecken. Und die 185 580 Flüchtlinge, die derzeit arbeitslos gemeldet sind, also einen Job suchen. Weil der Anteil derjenigen, die nur über ein niedriges oder gar kein Ausbildungsniveau verfügen, bei den Flüchtlingen relativ hoch ist, ist die Vermittlung in den Arbeitsmarkt oft schwierig.

Aber selbst von jenen, die schon einen Job haben, müssen laut Arbeitsagentur noch viele Hartz IV beziehen, etwa dann, wenn sie nur in Teilzeit oder im Minijob arbeiten und deshalb Aufstocker sind. Der Vergleich mit der sonstigen Bevölkerung hinkt außerdem noch an einem anderem Punkt: Ersparnisse, Renten, Pensionen, Hausbesitz – all das, was anderen Familien oft hilft, über die Runden zu kommen, haben Flüchtlinge und ihre Angehörigen naturgemäß meist nicht.

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