Verlagerung nach Westen Flucht aus Afrika endet häufiger im Saarland

Saarbrücken · Immer mehr Migranten versuchen ihr Glück über Spanien. Dadurch gelangen auch mehr von ihnen an die deutsche Westgrenze.

 Afrikanische Flüchtlinge an der südspanischen Küste. Viele Migranten ziehen weiter nach Nordosten in Richtung Deutschland.

Afrikanische Flüchtlinge an der südspanischen Küste. Viele Migranten ziehen weiter nach Nordosten in Richtung Deutschland.

Foto: dpa/Marcos Moreno

Die Migrationsströme verlagern sich nach Westen. Und das wirkt sich auch auf das Saarland aus. Zwar kommen inzwischen weniger Menschen über die lebensgefährliche Route durchs Mittelmeer, allerdings ist Spanien jetzt zum neuen Hauptziel für Migranten aus Afrika geworden, seitdem Italien sich zunehmend abschottet. Viele dieser Migranten, das erwarten Bundespolizisten und Politiker, werden von Spanien nach Frankreich kommen und dann an der deutsch-französischen Grenze stranden.

„Die Verlagerung der Flüchtlingsströme trifft auch das Saarland und die gesamte Westgrenze“, sagt Roland Voss vom Bundesvorstand Bundespolizei in der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Auch Saar-Innenminister Klaus Bouillon (CDU) hatte zuletzt berichtet, dass in der Landesaufnahmestelle in Lebach zunehmend Westafrikaner aufgenommen werden, die allerdings keine Bleibe-Chancen hätten.

Die spanische Polizei geht nach Medienberichten davon aus, dass sich derzeit rund 50 000 Schwarzafrikaner in Marokko aufhalten, die demnächst versuchen wollen, nach Spanien zu kommen und damit der Hoffnungslosigkeit in Afrika zu entfliehen. Erstmals seit Beginn der Flüchtlingskrise 2015 landeten mehr Migranten in Spanien an als in Italien. Über die zentrale Mittelmeer-Route – insbesondere von Libyen nach Italien – erreichten seit Jahresbeginn 2018 rund 18 500 Menschen Europa. An der spanischen Küste waren es rund 23 500.

Laut der Internationalen Organisation für Migration (IOM) stammt der Großteil aus afrikanischen Krisenländern südlich der Sahara sowie aus Marokko, Mauretanien und Mali. Die meisten kommen über den Landweg von Mali – wo derzeit bis zu 420 Soldaten der Saarland-Brigade aus Saarlouis, Lebach, Merzig  und Zweibrücken als Blauhelme im Einsatz sind – oder Niger über Algerien nach Marokko. Von dort aus stechen sie nach Spanien in See. Durch das Alborán-Meer oder die Straße von Gibraltar gelangen sie an die andalusische Küste. Zwischen Nordafrika und Europa liegen dort teilweise nicht einmal 15 Kilometer.

Die neue Sozialisten-Regierung hat mit Sofortmaßnahmen reagiert und in Andalusien ein Erstaufnahmezentrum und eine große Notunterkunft eingerichtet. Weitere sollen folgen. Ministerpräsident Pedro Sánchez sucht aber vor allem Lösungen und finanzielle Hilfen auf europäischer Ebene. Innenminister Fernando Grande-Marlaska ist mehrfach in Herkunftsländer gereist, speziell nach Marokko, Algerien und Mauretanien, um Gespräche zu führen. Allerdings hat er auch betont, die Situation sei bisher „unter Kontrolle“.

Die IOM nimmt an, dass die Route über das westliche Mittelmeer eine zusätzliche und keine alternative zu der zentralen Mittelmeerroute von Libyen aus ist. „Es ist aber offensichtlich, dass es Migranten gibt, die schon in ihrem Herkunftsland entscheiden, Marokko (statt Libyen) zu passieren. Vielleicht weil sich herumspricht, wie gefährlich Libyen ist“, sagt IOM-Sprecher Flavio Di Giacomo. Informationen, wonach es zunehmend schwierig ist, über Libyen nach Europa zu kommen, sprächen sich in Windeseile auch in den Herkunftsländern herum, sagt William Spindler, Sprecher des Uno-Flüchtlingshilftswerks UNHCR. Zudem werden die Migrantenströme von Niger aus umgeleitet. Niger ist das südliche Nachbarland von Libyen und Algerien, die Stadt Agadez der Dreh- und Angelpunkt der Migrationsbewegungen in der Region. Statt nach Libyen, wo sich derzeit laut IOM knapp 680 000 Migranten aufhalten, gelangt ein Teil nach Algerien und dann weiter nach Marokko. Der Niger hatte zuletzt die Reise nach Libyen deutlich erschwert, Grenzkontrollen verschärft und das Geschäft der Schleuser vor Ort für illegal erklärt.

„Der Migrationsdruck auf Europa und auf Deutschland wird deutlich zunehmen“, sagt Voss. Es bedürfe daher einer deutlichen Personalaufstockung an allen Binnengrenzen, auch im Saarland. „Bundesinnenminister Horst Seehofer muss endlich damit aufhören, die deutsch-österreichische Grenzregion einseitig zu priorisieren“, so Voss. Dort seien die Migrationszahlen trotz stationärer Kontrollen und eines hohen Personaleinsatzes nämlich rückläufig, während andernorts „empfindliche Sicherheitslücken“ bestünden.

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