Fast-Fußballprofi, Ex-Alkoholiker, halber Saarländer

Berlin/Saarbrücken · Vor drei Jahren, bei einem Besuch in Elversberg, brachte Martin Schulz seine besondere Beziehung zum Saarland eindrucksvoll auf den Punkt: "Es gibt zwei Dinge, die ich immer wieder erwähne, weil ich so stolz darauf bin: Ich war Bürgermeister der Stadt Würselen und ich bin halber Saarländer."

 Schulz 2013 bei seinem Elversberger Großcousin Vincent Schulz und dessen Frau Renate. Foto: Anika Meyer

Schulz 2013 bei seinem Elversberger Großcousin Vincent Schulz und dessen Frau Renate. Foto: Anika Meyer

Foto: Anika Meyer

Schulz' Vater ist in der Elversberger Herrenstraße aufgewachsen, später zog es ihn nach Nordrhein-Westfalen, wo Martin Schulz im Dezember 1955 zur Welt kam. Seit über 40 Jahren lebt der Vater zweier erwachsener Kinder in besagtem Würselen, einer 40 000-Einwohner-Stadt nördlich von Aachen.

Eine politische Laufbahn war dem heute 60-Jährigen nicht in die Wiege gelegt. Als Jugendlicher wollte er eigentlich Profifußballer werden. "Ich hab' nur noch Fußball gespielt, mich interessierte nichts anderes mehr", sagte er einmal der "Bunte". Doch sein Traum platzte nach einer schweren Knieverletzung. Zum Abitur schaffte er es nicht, nach einer Zeit der Arbeitslosigkeit machte er eine Ausbildung zum Buchhändler . Offen spricht Schulz über seine Alkoholprobleme als junger Mann, die er mit Hilfe seines Bruders überwand: "Irgendwann sagte ich mir: Entweder mache ich einen radikalen Schnitt oder ich gehe kaputt. Ich wollte mein Leben nicht wegwerfen: Mit 27 hatte ich dann meine eigene Buchhandlung, von da an ging's bergauf."

Mitglied bei der SPD ist Schulz, seit er 19 ist. Ins Europaparlament wurde er erstmals 1994 gewählt, dort erklomm er beharrlich die Karriereleiter. Bekannt machte ihn eine Attacke des damaligen italienischen Regierungschefs Silvio Berlusconi , der ihn 2003 - genervt von den ständigen Zwischenrufen - scharf anging und als Darsteller eines KZ-Aufsehers in einem Film empfahl. Fraktionschef wurde Schulz 2004, seit Januar 2012 ist er Präsident des EU-Parlaments. Im Juli 2014 wurde er für eine zweite Amtszeit wiedergewählt - ein Novum.

Auf dem internationalen Parkett tritt Schulz selbstbewusst auf. Er spricht fließend Englisch und Französisch und ist bestens vernetzt. Schulz kennt viele der einflussreichen Akteure in den 28 EU-Staaten - und mit nicht wenigen ist er per Du. Auch in die Bundespolitik hat er einen guten Draht: Er gilt als langjähriger Vertrauter von SPD-Chef Sigmar Gabriel , regelmäßig telefoniert er auch mit Angela Merkel. Wenn es Krisen gibt, ist der umtriebige Politiker zur Stelle. So reiste Schulz als erster hoher Vertreter der EU nach dem gescheiterten Putschversuch in der Türkei nach Ankara. Als das zwischen der EU und Kanada ausgehandelte Freihandelsabkommen Ceta am Widerstand der belgischen Region Wallonie zu scheitern drohte, schaltete sich Schulz persönlich ein: Der Regierungschef der Wallonie, Paul Magnette, lenkte schließlich ein.

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