Fast alle Bezieher von Hartz IV wollen arbeiten

Berlin/Saarbrücken. Fast alle Hartz-IV-Bezieher bemühen sich ernsthaft um Arbeit. Von den Langzeitarbeitslosen unter 56 Jahren würden 90 Prozent eine angebotene Beschäftigung kurzfristig annehmen, heißt es in einer noch unveröffentlichten Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), die unserer Zeitung vorliegt

Berlin/Saarbrücken. Fast alle Hartz-IV-Bezieher bemühen sich ernsthaft um Arbeit. Von den Langzeitarbeitslosen unter 56 Jahren würden 90 Prozent eine angebotene Beschäftigung kurzfristig annehmen, heißt es in einer noch unveröffentlichten Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), die unserer Zeitung vorliegt. Das Problem sei nicht die Arbeitsmoral, sagt DIW-Vorstand Karl Brenke: "Die Diskussion über die Arbeitswilligkeit von Hartz-IV-Empfängern geht an der Realität vorbei." Nur bei den Älteren sinke die Bereitschaft dramatisch, offenbar weil sie keine berufliche Perspektive mehr sehen. Fast jeder zweite Arbeitslose ab 56 erklärte, er wolle kurzfristig keine Stelle antreten; 42 Prozent wollen dem Arbeitsmarkt überhaupt nicht mehr zur Verfügung stehen. Auch eine "beachtenswerte Minderheit" junger Arbeitsloser sei nicht bereit, einen Job anzunehmen. Forderungen nach einer stärkeren Kontrolle der Arbeitslosen bewertet das DIW kritisch. Es bestehe die Gefahr, dass "unzulässig verallgemeinert wird und die Arbeitsmoral der Erwerbslosen unter Generalverdacht gerät". Die Regionaldirektion der Arbeitsagentur sieht ihre Erfahrungen durch die Studie bestätigt. "Generell sind arbeitslose Menschen an der Aufnahme einer Beschäftigung interessiert", sagte eine Sprecherin. Nur "in wenigen Einzelfällen" sei das anders. Das Thema Hartz IV beschäftigt heute das Bundesverfassungsgericht. Vor dem mit Spannung erwarteten Urteil zu den Regelsätzen für Kinder (siehe Info) forderten Gewerkschaften und Sozialverbände erneut höhere Leistungen. Der Paritätische Wohlfahrtsverband Saar sprach sich für einen "bedarfsgerechten" Regelsatz aus. Auch der Caritasverband Saarbrücken kritisierte, die bisherigen Sätze genügten nicht "den kinderspezifischen Notwendigkeiten". epd/tho

HintergrundDas Bundesverfassungsgericht entscheidet heute, ob die Leistungen für Kinder in Hartz-IV-Haushalten deren tatsächlichen Bedarf abdecken. Derzeit erhält ein Kind - je nach Alter - zwischen 215 und 251 Euro pro Monat. Das Gericht will sich heute aber auch zum Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum äußern. red

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