"Fanatischer Wille, die gelandete Streitmacht des Feindes zu vernichten"

Saarbrücken. "Der britisch-nordamerikanische Gegner ist gelandet. Er ist zwar nicht überall dort an Land gegangen, wo er wollte. (. . .) Aber er steht doch an der nordfranzösischen Küste" - ein Ausschnitt aus einem Bericht der Saarbrücker Zeitung vom 12. Juni 1944

Saarbrücken. "Der britisch-nordamerikanische Gegner ist gelandet. Er ist zwar nicht überall dort an Land gegangen, wo er wollte. (. . .) Aber er steht doch an der nordfranzösischen Küste" - ein Ausschnitt aus einem Bericht der Saarbrücker Zeitung vom 12. Juni 1944. Das war fast eine Woche nach dem "D-Day", dem Tag, an dem die alliierten Truppen in der Normandie gelandet waren. Der überlange Aufmacher über die Vorgänge an der Front wirkt nüchtern: "Wie jede Kampfhandlung zerfällt auch der Landungsangriff großen Stils in mehrere Abschnitte (…). Dabei darf die eigentliche Landung naturgemäß als erste Phase (…) ausgefasst werden." Es scheint, als sei Deutschland selbst unbeteiligt an den Kämpfen, liest man die Schilderungen der Kampfhandlungen: "Der Gelandete ist gezwungen, die militärische Kraft, die sich seiner Invasion entgegenstellt, zu vernichten und sich den Weg in das Innere des Landes freizukämpfen, der Verteidiger aber, in fanatischem Willen die gelandete Streitmacht des Feindes zu schlagen, zu vernichten und damit die Invasionsgefahr endgültig zu bannen." Opfer oder Schicksale einzelner Soldaten finden keine Erwähnung. Den Bericht schmückt eine Karte von Nordfrankreich zur Orientierung. Das Führerhauptquartier meldet am gleichen Tag die Verleihung des Eichenlaubs zum Ritterkreuz an zwei Generäle.28 Jahre später hat Deutschland mit Terror zu kämpfen: Die Rote-Armee-Fraktion (RAF) hält Deutschland in Atem. Wegen Brandstiftung, Bombenanschlägen und mehrerer Banküberfälle werden die Mitglieder der "Anarchistenbande" - wie sie in der SZ genannt wird - gesucht. Am 8. Juni 1972 titelt die SZ "Gudrun Ensslin wurde in Hamburg verhaftet". Der Autor berichtet, die damals 31-jährige Pfarrerstochter "soll bei der Festnahme zwei Pistolen bei sich gehabt haben". Der entscheidende Hinweis kam von einer Verkäuferin, die gesehen hatte, dass Ensslin Waffen trug, als sie einen Pullover anprobierte: "Die Verkäuferin soll daraufhin unauffällig Kolleginnen informiert und die Kundin solange in ein Gespräch verwickelt haben, bis die Polizei eintraf." Andreas Baader war bereits am 1. Juni verhaftet worden. Die Festnahme Ulrike Meinhofs folgte am 15. Juni. Pfarrer Ensslin, der Vater der RAF-Terroristin, erklärte, er sei "froh, dass die Jagd jetzt zu Ende ist".

Auch an den folgenden Tagen nach der Festnahme beherrscht das Thema die Berichterstattung der SZ: neue Appelle zu Fahndung, Spekulationen über den Aufenthaltsort Meinhofs und die Festnahmen weiterer Mitglieder, Brigitte Mohnhaupt und Bernhard Braun. In der Wochenendausgabe vom 10./11. Juni schreibt die SZ über die Vermutung der Zusammenarbeit der Terroristen und ihren Anwälten: "Es ist nicht auszuschließen, dass zwischen der Baader-Meinhof-Gruppe und ihren Anwälten Verbindungen bestehen, wie sie üblicherweise nicht durch die anwaltlichen Pflichten abgedeckt sind." Die Vermutung resultierte aus einer Blankovollmacht, die Ensslin ihren Anwälten ausgestellt hatte, ohne vorher mit ihnen zu sprechen.

Auf der Titelseite vom 12. Juni wird "Kritik an Sympathisanten der Baader-Meinhof-Bande" geübt: "Sie sind fast schuldiger als die Terroristen selbst." Helfer der Gruppe werden in gutbürgerlichen Kreisen vermutet: "Es sind Professoren, Ärzte, Journalisten und Schriftsteller. Also gehobenes Bürgertum", schreibt die SZ. "Die Polizei soll in letzter Zeit zunehmend Hinweise aus Kreisen der Unterwelt und von Sympathisanten der Baader-Meinhof-Bande über den Aufenthalt von Bandenmitgliedern erhalten haben", hieß es am 12. Juni in der SZ.

27 Jahre später ging es wieder um Krieg, diesmal gab es aber eine positive Nachricht: "Kriegsende - die Welt atmet auf", titelt die SZ auf Seite 1 vom 11. Juni 1999. Ort des Geschehens: der Kosovo. "Serbische Truppen ziehen ab - Nato setzt Luftangriffe aus". Nach rund anderthalb Jahren sehen die SZ-Leser Fotos von serbischen Truppen, die das Kriegsende feiern. Die Außenminister von 30 Ländern treffen sich in Köln, um einen Stabilitätspakt für Südosteuropa zu beschließen, "mit dem der Frieden langfristig gesichert werden soll". Mehr als 1000 Flüchtlinge im Auffanglager Lebach sorgen sich um ihre Heimat. Die SZ schrieb: "Was für die Flüchtlinge im Saarland zählt, sind Berichte vom derzeitigen Leben im Kosovo und aktuelle Fernsehbilder aus ihrer Heimat. Darauf gründen sie ihre Zuversicht, bald wieder nach Hause zurückkehren zu können."

Was sonst noch geschah in der zweiten Juni-Woche:

9. Juni 1815: Mit Unterzeichnung der deutschen Bundesakte auf dem Wiener Kongress entsteht der Deutsche Bund.

7. Juni 1951: Die letzten Todesurteile aus den Nürnberger Prozessen werden vollstreckt.

9. Juni 1972: Der Bundestag senkt das Wahlalter auf 18 Jahre.

saarbruecker-zeitung.de/

 Am 6. Juni 1944 landete "der britisch-nordamerikanische Gegner", wie die SZ die Alliierten nannte, in der Normandie. Foto: dpa

Am 6. Juni 1944 landete "der britisch-nordamerikanische Gegner", wie die SZ die Alliierten nannte, in der Normandie. Foto: dpa

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