Fall Strauss-Kahn bringt US-Justiz in ErklärungsnotDebatte über Comeback von Strauss-Kahn

New York/Washington. Ein 700 Dollar-Dinner mit Trüffel-Pasta beim Nobel-Italiener am Freitagabend, am Samstag dann ein Besuch im Museum für "Modern Art". So feierte am Wochenende der frühere IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn seine wiedergewonnene Freiheit. Wenig Grund zur Freude hat allerdings der New Yorker Generalstaatsanwalt Cyrus Vance junior

New York/Washington. Ein 700 Dollar-Dinner mit Trüffel-Pasta beim Nobel-Italiener am Freitagabend, am Samstag dann ein Besuch im Museum für "Modern Art". So feierte am Wochenende der frühere IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn seine wiedergewonnene Freiheit. Wenig Grund zur Freude hat allerdings der New Yorker Generalstaatsanwalt Cyrus Vance junior. Denn über ihn und seine Behörde ergießen sich neben jeder Menge Kritik nun auch Spott und Häme. Immer wieder konzentrieren sich die Rügen auf einen Punkt: Er habe den französischen Sozialisten nach dem angeblichen Sex-Verbrechen in Suite 2806 des "Sofitel" zu schnell von einem Gericht anklagen lassen und zu wenig Zeit darauf verwendet, die Zeugin auf mögliche Ungereimtheiten abzuklopfen."Der Fall ist vorbei. Oder sollte zumindest vorbei sein." So wie das "Wall Street Journal" sehen die meisten US-Medien das Verfahren gegen "DSK", obwohl Staatsanwalt Vance am Freitag angekündigt hatte, die Ermittlungen vorerst weiterzuführen. Jeffrey Toobin, juristischer Beobachter des Fernsehsenders CNN, konstatiert einen "massiven Erklärungsbedarf" bei den Strafverfolgern. Die wollen jedoch von Irrtümern nichts wissen. "Wir werden weitermachen, wie es unsere Pflicht ist. Die Rechte derer, die bei der Justiz Hilfe suchen, müssen gewahrt bleiben", verteidigte Staatsanwalt Vance seine Strategie. Doch mittlerweile wird das Ausmaß des Lügen-Gebäudes, das von dem 32-jährigen Zimmermädchen aus Guinea aufgebaut worden war und das ihre Glaubwürdigkeit immens beschädigt hat, immer klarer. Und einem Bericht der "New York Post" zufolge soll sich die Frau sogar gegenüber Hotelgästen regelmäßig als Prostituierte verdingt und den Begriff "Zimmerservice" weit ausgedehnt haben. Am Ende sei es zum Streit zwischen "DSK" und der Frau über die Bezahlung des vollzogenen Oralsexes gekommen, schreibt die Zeitung unter Berufung auf Ermittlerkreise. "Sie hatte Dollarzeichen in den Augen", so die "Post".

Erst in der vergangenen Woche war es den Behörden möglich gewesen, die für die Freilassung Strauss-Kahns mitentscheidenden Sätze zu übersetzen, die in einem Gespräch der Kronzeugin einen Tag nach dem angeblichen Vorfall bei einem Telefonat mit einem im US-Bundesstaat Arizona einsitzenden Drogenkriminellen aufgezeichnet wurden: "Mach' dir keine Sorgen. Dieser Typ hat viel Geld. Ich weiß, was ich tue." Diese im seltenen afrikanischen Dialekt Fulani gesprochene Aussage gegenüber ihrem Verlobten passt zu neuen Informationen aus dem Hotel, die jetzt ans Tageslicht kamen. Dort hingen zum einen im Pausenraum der Zimmermädchen Fotos von prominenten Gästen aus, damit für diese ein "VIP"-Service sichergestellt wurde. Zum anderen soll das vermeintliche Opfer ausdrücklich darum gebeten haben, eine andere Kollegin - ursprünglich für den 28. Stock eingeteilt - vertreten zu dürfen. Und: Die Zeugin selbst war es Berichten zufolge, die ein Kernelement ihrer früheren Aussage korrigierte. Nach den angeblichen Übergriffen war sie nicht, wie zunächst angegeben, in den Flur geflüchtet und hatte das Erscheinen ihres Vorgesetzten abgewartet, sondern hatte eine Nachbarsuite gereinigt und dann mit Putzarbeiten in der Strauss-Kahn-Suite begonnen, bis ihr Abteilungsleiter eintraf.

Weitere Unwahrheiten der Frau in ihrem Asylantrag - auch im Hinblick auf eine angebliche Vergewaltigung in Guinea - und in Steuerklärungen verstärkten dann noch den Eindruck bei den Ermittlern, dass das Verfahren gegen Strauss-Kahn auf extrem schwachen Füßen steht. Der Anwalt des vermeintlichen Opfers, Ken Thompson (Foto: afp), versuchte auch am Wochenende wieder, die Zweifel an der Seriosität des Zimmermädchens und ihrer Beschuldigungen zu verstreuen: "Das Opfer dürfte einige Fehler gemacht haben. Das bedeutet aber nicht, dass sie nicht sexuell missbraucht worden ist." Doch für prominente New Yorker Juristen wie Gerald Shargel, der 2009 noch die Wahl von Generalstaatsanwalt Vance unterstützt hatte, ist der Fall für die Anklage nicht mehr zu retten: "Hier wurde nicht genau genug hingesehen. Das Ganze ist wie eine Serie von Alpträumen."Paris. Die überraschende Wende im Strafverfahren gegen Ex-IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn hat in Frankreich für politischen Wirbel gesorgt. Die Sozialisten diskutieren nach seiner Entlassung aus dem Hausarrest über ein mögliches politisches Comeback des 62-Jährigen, der vor seiner Festnahme als Hoffnungsträger für die Präsidentschaftswahl 2012 galt. Ex-Parteichef François Hollande (Foto: afp), der bei der Präsidentenwahl 2012 selbst gegen Amtsinhaber Nicolas Sarkozy antreten will, schlug vor, die am 13. Juli endende Bewerbungsfrist für die Vorwahlen der Sozialisten "bis Ende Juli oder sogar Ende August" zu verlängern, um Strauss-Kahn eine Chance zu geben. Der nächste Gerichtstermin Strauss-Kahns ist am 18. Juli. "Nichts sollte Dominique Strauss-Kahn hindern, anzutreten", sagte Hollande.

Die Präsidentschaftskandidatin der Sozialisten bei der Wahl 2007 und erneute Bewerberin für die Kandidatur, Ségolène Royal, sagte, eine Fristverlängerung bereite ihr "keine Probleme". Strauss-Kahn müsse aber selbst darum ersuchen. Der sozialistische Abgeordnete Arnaud Montebourg, der ebenfalls bei den Vorwahlen im Oktober antreten will, wies eine Fristverlängerung zurück. Es gebe "keinen Grund", den Zeitplan zu ändern. Sozialisten-Chefin Martine Aubry, die auch kandidieren will, äußerte sich zu dem Thema bislang nicht.

In einer am Wochenende in der Zeitung "Le Parisien" veröffentlichten repräsentativen Meinungsumfrage sprachen sich 49 Prozent der befragten Franzosen für ein politisches Comeback von Dominique Strauss-Kahns aus, 45 Prozent waren dagegen. Bei den Anhängern der Sozialisten waren 65 Prozent für seine Rückkehr in die Politik.afp/dpa

"Das Opfer dürfte Fehler gemacht haben. Das bedeutet aber nicht, dass sie nicht sexuell missbraucht worden ist."

Ken Thompson, Anwalt des Zimmermädchens

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