Explosive Post für die Kanzlerin

Berlin. Dass der griechische Wirtschaftsminister der deutschen Kanzlerin auf dem normalen Postweg ein Päckchen schickt, dürfte ungewöhnlich sein

Berlin. Dass der griechische Wirtschaftsminister der deutschen Kanzlerin auf dem normalen Postweg ein Päckchen schickt, dürfte ungewöhnlich sein. Dass Giorgos Papakonstantinou aber Angela Merkel gerade dann ein Paket sendet, wenn Briefbombenterror in Athen gemeldet wird und auch schon Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy eine griechische Bombe erhalten sollte, ließ die Kontrolleure wohl nicht an einen Zufall glauben. Sie schlugen Alarm.Als um 18.30 Uhr Regierungssprecher Steffen Seibert vor die Presse trat, war dieser Alarm schon einige Stunden alt. Seibert erklärte: "Es hat heute im Bundeskanzleramt einen Zwischenfall mit einer verdächtigen Postsendung gegeben." So verdächtig, dass die Regierungszentrale in hellen Aufruhr versetzt worden war. "Die Untersuchung zeigt, dass der Inhalt des Päckchens zumindest geeignet war, Menschen zu verletzen", ergänzte Seibert noch. Und: Die Sendung war direkt an Angela Merkel adressiert.Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) wurde eine halbe Stunde später konkreter: Das Paket habe eine sprengfähige Vorrichtung gleicher Bauart wie bei einer Sendung an die Schweizer Botschaft in Athen und an den französischen Präsidenten Sarkozy enthalten. Es sei vor zwei Tagen per Luftpost von Griechenland nach Deutschland geschickt worden. Er wies auf die Festnahme zweier Verdächtiger in Griechenland hin. Dazu würde passen, dass seit Tagen vermutlich griechische Autonome mit einer Serie von Briefbomben Athen in Atem halten.Merkel hatte sich im Frühjahr strikt gegen eine schnelle Hilfe der Euro-Staaten für das vom Bankrott bedrohte Griechenland gewehrt. Athen solle mit drastischen Sparmaßnahmen in Vorleistung treten, forderte sie. Die griechische Regierung beschloss für die Bevölkerung schmerzhafte Einschnitte, die Bürger gingen auf die Straße. Die Fast-Pleite Griechenlands bedrohte die Eurozone in ihrer Existenz. Erst am vergangenen Freitag beschlossen die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union beim Gipfel in Brüssel als Folge aus dem Griechenland-Trauma: Wer über seine Verhältnisse lebt und Schuldenberge anhäuft, muss in der Eurozone mit härteren Strafen rechnen. Merkel und Sarkozy hatten den Weg dafür geebnet. Laut de Maizière spricht nichts für einen Zusammenhang mit dem Jemen, aus dem am Wochenende zwei Paketbomben nach Amerika abgeschickt worden waren.Gegen 13 Uhr wurde im Kanzleramt Alarm ausgelöst. In der Poststelle hatten die Bediensteten beim Durchleuchten des von einer Zustellerfirma abgegeben Pakets Spuren von Sprengstoff entdeckt. Sofort wurde die Weitergabe des verdächtigen Päckchens gestoppt und der Innenschutz des Kanzleramtes sowie die Berliner Polizei alarmiert, hieß es. Experten des Landeskriminalamtes machten daraufhin den Inhalt mit einer Wasserkanone "unschädlich". Bei einer Explosion wäre vermutlich ein Feuer entstanden, betonten Sicherheitsexperten. Außerdem hätte die öffnende Person möglicherweise Verletzungen erlitten. Augenscheinlich, verlautete es weiter, habe jemand ein Zeichen setzen und Angst schüren wollen. Größere Gefahr für das Kanzleramt habe aber nicht bestanden, das Gebäude wurde nicht geräumt. Denn die Poststelle der Regierungszentrale liegt ein wenig abseits des Hauptkomplexes. Bewusst, um die Gefahren durch mögliche Briefbomben zu minimieren.Angela Merkel selbst war tagsüber nicht in Berlin, sondern zu einem Besuch in Belgien. Erst am Abend kehrte sie zurück. Die Ermittlungen hat nun das Bundeskriminalamt übernommen, das dem Vernehmen nach heute neue Erkenntnisse vorlegen wird. Eine Paketbombe ist schlechterdings eine neue Qualität der Bedrohung für die Kanzlerin. Seitens der Regierung wollte man dies gestern auf Anraten der Polizei nicht weiter kommentieren. Nur der Hinweis, dass die Sicherheitssysteme im Kanzleramt funktioniert hätten.Dass Merkel mit Anfeindungen leben muss, ist nicht neu. Fast täglich erhält sie Drohungen per Post. Und sie gehört zu den staatlichen Repräsentanten, die von den Sicherheitsbehörden als extrem gefährdet eingestuft werden. Deshalb kümmern sich allein 15 bis 20 Personenschützer im Schichtdienst um Merkel. Nicht immer mit absolutem Erfolg: Kürzlich schafft es ein verwirrter Mann bis an die Haustür der Kanzlerin. In Berlin und an Merkels Ferienhaus in der brandenburgischen Uckermark drang er in ihr privates Umfeld ein. "Der Inhalt des Päckchens war zumindest geeignet, Menschen zu verletzen."Regierungssprecher Steffen Seibert

HintergrundDie griechische Hauptstadt Athen ist am zweiten Tag in Folge von einer Paketbomben-Serie gegen ausländische Botschaften und andere Einrichtungen erschüttert worden. Eines der gestern entdeckten Pakete war an die deutsche Vertretung gerichtet, wie die Polizei mitteilte. Insgesamt wurden sechs Sprengsätze gefunden, durch die jedoch niemand zu Schaden kam. Hinweise auf die Urheber gab es zunächst nicht. Auch am Montag waren in Athen Paketbomben gefunden worden. Eine davon war an Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy adressiert, die anderen ebenfalls an Botschaften. afp

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