Experten halten Reform für nicht verfassungsgemäß
Köln/Kassel. Die von Bundesregierung und Opposition erzielte Einigung zur Hartz-IV-Reform halten Experten für verfassungswidrig. "So wie es jetzt aussieht, werden die Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts zur Berechnung der Hartz-IV-Regelleistung nicht erfüllt", sagte Max Eppelein, Justiziar beim DGB Rechtsschutz in Kassel
Köln/Kassel. Die von Bundesregierung und Opposition erzielte Einigung zur Hartz-IV-Reform halten Experten für verfassungswidrig. "So wie es jetzt aussieht, werden die Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts zur Berechnung der Hartz-IV-Regelleistung nicht erfüllt", sagte Max Eppelein, Justiziar beim DGB Rechtsschutz in Kassel. Kritisch äußerten sich auch Stefan Sell, Sozialwissenschaftler an der Fachhochschule Koblenz, und der Kölner Armutsforscher Christoph Butterwegge."Schaut man genau hin, trägt der Kompromiss dem Karlsruher Urteilsspruch nicht einmal ansatzweise Rechnung", sagte Butterwegge. CDU/CSU, FDP und SPD hätten die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom Februar 2010 nicht umgesetzt, sondern "mit Füßen getreten". Der Politikwissenschaftler sprach von einer "Bankrotterklärung des Sozialstaates". In Bezug auf Sanktionen, die Möglichkeit der Pauschalierung von Unterkunftskosten durch die Kommunen oder die Gewährung von Darlehen werde Hartz IV "sogar weiter verschärft".
"Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner im vergangenen Jahr verkündeten Entscheidung verlangt, dass die Berechnung der Hartz-IV-Regelleistung transparent, nachprüfbar und realitätsgerecht sein muss", erklärte Eppelein. Dies sei aber weiterhin nicht der Fall. Viele Ursprungsdaten zur genauen Berechnung des Bedarfs von Hartz-IV-Beziehern würden gar nicht veröffentlicht. "Wie soll man da die Regelleistungshöhe überprüfen können", sagte Eppelein. Unklar sei auch, ob die geplanten Bildungsgutscheine im Einklang mit dem Grundgesetz sind.
"Gravierend ist, dass die Bundesregierung gar nicht ermittelt hat, was Kinder aus Hartz-IV-Familien genau benötigen und verbrauchen", sagte Sell. Kritisch sieht der Koblenzer Sozialwissenschaftler auch die Einigung, jeweils 400 Millionen Euro für die nächsten drei Jahre zusätzlich für Schulsozialarbeiter und Schul-Mittagessen auszugeben. "Was haben zusätzliche Sozialarbeiter mit Hartz IV zu tun?" Hinzu komme, dass es in vielen Schulen - insbesondere in Westdeutschland - wegen fehlender Küchen gar nicht die Möglichkeit gebe, ein Essen zu erhalten. epd