Europas zynisches Geschäft mit der Folter

Straßburg · In Europa ist die Todesstrafe verboten. Das bedeutet aber nicht, dass Firmen aus Deutschland und Co. nicht am weltweiten Geschäft mit Folterinstrumenten verdienen konnten. Anfang 2017 soll damit Schluss sein.

 Die Todesstrafe wird in den USA bis heute vollstreckt. Dabei werden auch Gifte aus Europa eingesetzt. Das will die EU jetzt ändern. Foto: dpa

Die Todesstrafe wird in den USA bis heute vollstreckt. Dabei werden auch Gifte aus Europa eingesetzt. Das will die EU jetzt ändern. Foto: dpa

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Fußfesseln, Daumenschrauben, Schlagstöcke oder Reizgas - wo gefoltert wird, setzt man gerne auch auf europäische Qualität. Und auch Pharmazeutika für Giftspritzen, mit denen Menschen hingerichtet werden, stammen nicht selten aus Europa. Ein offizielles Lieferverbot gibt es seit fast zehn Jahren, doch nun sollen Lücken geschlossen werden, die sich im Laufe technischer Entwicklungen aufgetan haben. Das EU-Parlament machte gestern den Weg für eine Reform der Verordnung frei, die Anfang 2017 in Kraft tritt. "Die Mitgliedstaaten müssen den Export dieser Güter künftig verbieten, sobald Beweise dafür vorliegen, dass diese für Folter benutzt werden", sagte Barbara Lochbihler, Grünen-Europaabgeordnete und frühere Generalsekretärin der deutschen Sektion der Menschenrechtsorganisation Amnesty International . "Die Güter müssen nicht explizit auf der EU-weiten Liste für Exportverbote stehen, was ein kurzfristiges Exportverbot von gefährlichen Gütern deutlich vereinfacht."

Bisher durften Produkte nicht ausgeführt werden, wenn sie ausschließlich für Folter oder Hinrichtungen benutzt wurden. Für bestimmte Geräte wie Elektroschocker und Schlagstöcke, die auch bei regulären Polizei-Aktionen zum Einsatz kommen, brauchten die Hersteller Ausfuhrgenehmigungen. Die stellten jedoch kein ernstzunehmendes Hindernis für Missbrauch dar. Das zuständige Bundesamt für Ausfuhrkontrolle (Bafa), das dem Wirtschaftsministerium untersteht, überlässt es bis heute den Produzenten, in einem Formular selbst anzugeben, wofür die Lieferung eingesetzt werden sollte. Diesen Gummi-Paragrafen machten sich Unternehmen und Politik immer wieder zunutze, weil Kontrollen nur oberflächlich möglich waren. So lieferte beispielsweise Deutschland 2008 Elektroschocker nach Saudi-Arabien, 2009 Reizgas nach Katar. Bis vor zwei Jahren konnten Namibia und andere Länder "tragbare Waffen und Ausrüstungen, die handlungsunfähig machende oder reizende chemische Substanzen abgeben" (so der Bericht des Bafa), made in Germany erwerben. Tschechien versorgte jahrelang den Senegal, Venezuela und Pakistan mit Reizgas und Elektroschockern.

Künftig müssen genehmigte Exporte den nationalen Kontrollstellen gegen Folter gemeldet werden. Pharmazeutika wie tödliche Gifte stehen mit Inkrafttreten der Verordnung ebenfalls auf einer schwarzen Liste. Diese Produkte dürfen nicht mehr in Länder geliefert werden, in denen die Todesstrafe noch praktiziert wird - darunter die USA. Außerdem untersagt Brüssel die Werbung für einschlägige Artikel in Medien und auf Messen wie der "Enforce tac" in Nürnberg. Um der technischen Entwicklung "nicht immer hinterher zu laufen" (Lochbihler), können die nationalen Behörden nun ein Produkt bereits mit einem Exportverbot belegen, wenn auch nur der Verdacht besteht, dass es für Menschenrechts-Verstöße benutzt werden könnte. Wie dringend notwendig diese Entscheidung der EU war, zeigen Amnesty-Zahlen. Bei einer Untersuchung im Vorjahr fand die Organisation heraus, dass Folter und schwere Misshandlungen nach wie vor in 131 von 160 untersuchten Staaten gang und gäbe sind.

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