Europas Sparwelle droht das Wachstum auszubremsen

Brüssel. Lange totgesagt, ist er nun wieder quicklebendig: Der Euro-Stabilitätspakt. Mitten in der gefährlichen Währungskrise erkennen die Europäer, dass sie 2005 gewaltig irrten, den Pakt auf Druck der Deutschen und der Franzosen aufzuweichen

Brüssel. Lange totgesagt, ist er nun wieder quicklebendig: Der Euro-Stabilitätspakt. Mitten in der gefährlichen Währungskrise erkennen die Europäer, dass sie 2005 gewaltig irrten, den Pakt auf Druck der Deutschen und der Franzosen aufzuweichen. Nun, nach dem griechischen Schuldenfiasko und dem gigantischen Rettungsschirm von 750 Milliarden Euro für kriselnde Euro-Staaten, soll er verschärft oder, wie man in Brüssel sagt, "angespitzt" werden. Doch nicht nur in Europas Hauptstadt, wo die Budgets der Mitgliedstaaten nun besonders gründlich unter die Lupe genommen werden, steigt der Druck auf die Defizite. Auch die Finanzmärkte haben notorische Schuldensünder ins Visier genommen und drohen, diese gnadenlos abzustrafen. Das Horrorbeispiel für alle: Griechenland. Der kränkelnde Mittelmeerstaat musste de facto vom Finanzmarkt genommen werden, um dem Staatsbankrott zu entgehen.Währungshüter zufrieden Die EU-Währungshüter registrieren zufrieden eine beispiellose Sparwelle in Europa - von Großbritannien und Dänemark im Norden bis nach Griechenland und Italien im Süden. In Spanien schrumpfen die Beamtengehälter, in Portugal steigen die Steuern. Die EU-Finanzminister werden am kommenden Dienstag in Luxemburg über die Sparprogramme aus Madrid und Lissabon debattieren. In Frankreich wird jede zweite freiwerdende Stelle im öffentlichen Dienst nicht mehr besetzt. Eine baldige Rentenreform soll das Defizit der Sozialkassen senken. Ökonomen warnen, die europäische Sparwelle könnte die noch schwache Wirtschaftserholung ausbremsen. Für die Eurozone wird im laufenden Jahr ein Wachstum von gerade mal knapp einem Prozent erwartet. Die Volkswirtschaften Irlands, Spaniens oder Griechenlands werden sogar schrumpfen.Haushaltspolitische Weisheit An den EU-Institutionen prallen diese Einwände aber bisher ab. Der Chef der Europäischen Zentralbank, Jean-Claude Trichet, antwortete unlängst auf eine entsprechende Frage der Zeitung "Le Monde", er wolle gar nicht von Sparpolitik sprechen, sondern von einer "schrittweisen Rückkehr zur haushaltspolitischen Weisheit". EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso bläst ins selbe Horn: "Sparsamkeit ist kein Selbstzweck, es geht darum, die Wirtschaftspolitik wieder in Form zu bringen", lautet sein Credo. Um mögliche Auswirkungen auf die Konjunktur zu verhindern, seien zusätzlich Strukturreformen nötig - damit meint der Präsident beispielsweise einen Umbau von Arbeitsmärkten oder Rentensystemen. Mitten in der Krise verteidigt der konservative Portugiese allerdings das Vorhaben, den EU-Haushalt für das kommende Jahr um knapp sechs Prozent zu erhöhen. "Ärger ist programmiert", meint ein Diplomat. Experten sind auch außerhalb Brüssels zuversichtlich, dass die gefährdeten Euro-Länder Griechenland, Spanien, Portugal, Irland und Italien im laufenden Jahr ihre Defizitziele erreichen werden.

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